Reisen

Schlagwort: Pfälzer Weinsteig

Unterwegs mit Freunden

Selfie  auf dem Flaggenturm

Es gibt Tage, an denen man gut allein sein kann, und solche, an denen es schön ist, Freunde um sich herum zu habe. Jetzt – um den 40. Hochzeitstag herum – sind Tage, an denen das Alleinsein schwerer fällt. Es ist Zufall, dass heute Dagmar und Dieter mit mir wandern (von Bad Dürkheim nach Deidesheim) und morgen Annette und Jürgen (von Deidesheim über den Geissbockweg nach Lambrecht). „Aber es gibt ja keine Zufälle“, wie meine Freundin Beate zu sagen pflegt.

Morgens um 7:45 Uhr habe ich mich mit Dagmar und Dieter am Amtsgericht in Bad Dürkheim verabredet. Nur ein paar Jogger sind im Kurpark unterwegs, und über den Marktplatz bin ich schnell oben am vereinbarten Treffpunkt. Die Plätze und Orte tauchen alle in meiner Erinnerung wieder auf, weil ich auch diesen Weg schon mit Hubert gegangen bin. Es ist eigentümlich, wie wir Bilder speichern, vergessen, und wie sie bei bestimmten Reizen wieder ganz klar aus der Versenkung der Gehirnwindungen auftauchen. Meine Gehirnzellen sind auf dieser Wanderung sehr aktiv! Gestern noch hätte ich die Tour nicht genau beschreiben können, heute fällt mir genau ein, wo Hubert und ich uns verlaufen hatten, wo wir dann wie gegangen sind, wo wir wem begegnet sind und wo wir uns über was unterhalten haben.

Aber das ist Vergangenheit.

Wir laufen durch die Weinberge zum Flaggenturm und können uns nicht satt sehen an dem Rundumblick: Die Limburg (kürzlich abgebrannt), mein Weg gestern und vor allem der vor uns liegende Pfälzer Wald.

Nach dem Mundhardter Hof ( Siedlung von Wohlbetuchten, deren Häuser nicht immer architektonische Glanzlichter sind) steigen wir in den Wald ein durch schmale Pfade immer mal auf und ab, entlang von Bachläufen, queren das Poppental. Mal laufen wir auf Bucheneckerboden, mal auf getrockneten Kastanienblüten, mal auf Kiefernnadeln.  Und wir staunen über einen Ameisenhaufen, der in meiner Kindheit noch nichts Außergewöhnliches war. Heutzutage schon.

Über einen Campingplatz geht es hoch zur Wachtenburg mit herrlichem Weitblick in die Rheinebene.  Sie heißt  ja nicht umsonst „der Balkon der Pfalz“.  Und die Burgschänke ist nur zu empfehlen. Die Burgunderschinken sind riesig und saftig, den Kastanienhonig kann ich leider nicht mitnehmen. Auf und ab geht es weiter bis zu den „Heidenlöchern“, den Resten einer alten Fliehburg aus karolingischer Zeit. Man kann die Ausmaße  noch erahnen.

Nochmal den Blick bei der Michaelskapelle schweifen lassen – auch auf Deidesheim unter uns und den Wegeinstieg für morgen. Dann sind wir wieder in den Weinbergen und merken jetzt erst, wie die Sonne sticht.

 

Der älteste Bildstock der Pfalz bei Deidesheim mit der Heiligen Barbara und der Heiligen Katharina (links).

Kuchen essen im Ritter von Boehl nach einer wunderbaren, gar nicht anstrengenden Wanderung mit vielen kleinen Pausen an idyllischen Plätzen, Gesprächen über Gott und die Welt, Vergangenem und vielleicht Zukünftigem.

„Hier hättest du auch übernachten können. Hier ist es schön“, sagt Dagmar. Nach einem Blick auf mein Handy stelle ich fest: Das ist meine Übernachtung. Es war weiß  Gott keine Enttäuschung.

Abschied von Freunden. Bis bald in Mainz. Abends trinke ich auf Hubert und unseren 40. Hochzeitstag einen Blanc de noir.

 

Erinnerungsweg Nr. 2 oder „Japanisch ist Weltsprache“

Genau eine Woche ist es her,  dass ich mit jemandem zusammen – mit Marlis –  zu Abend gegessen habe. Zeit, das zu ändern. In Bad Dürkheim sitze ich mit Dagmar, Dieter und einem Freund von beiden auf der Terrasse der Fronmühle (empfehlenswert) und geniessen pfälzische Spezialitäten. Morgen wandern wir zu dritt die 3. Weinsteigetappe nach Deidesheim.

Im Moment steckt mir allerdings noch die Etappe von von heute in den Beinen. Der Pfälzer Weinsteig ist doch etwas anderes als der Rheinterrassenweg. Sanft auf- und abschwingende Wege, meist auf der Höhe entlang, sind hier nicht mehr angesagt. Hier geht es richtig bergauf- und bergab, gerne auch mal auf kleinen Pfaden in Spitzkehren abwärts, die von Bikern  so hergerichtet Worten sind, dass es für Wanderer ungemütlich wird.

Trotzdem wird ganz allmählich für mich die Natur heimeliger: Mischwald von Buchen, Birken,  Eichen, Kiefern, Fichten , Lärchen, Kastanien – die ganze Viefalt eben. Farne und Heidekraut, weiche Waldwege, kleine Talschluchten, Buntsandsteinfelsen: Ich bin in der Pfalz!

Jedenfalls am Rand, dort wo in Zeitmillionen die Erde „eingebrochen“ ist, wo an der Bruchstelle ein einmaliges Stück Natur entstanden ist: sonnendurchflutete Rebenhänge, die bis an den Waldrand gehen, der durchzogen ist von tief eingeschnittenen Tälern und bis in die Spitzen bewaldeten Erhebungen. Durch diese Landschaft führt der Pfälzer Weinsteig. Man steigt am frühen Morgen durch die Weinberge auf und wandert dann durch schattenspendenden Wald, nicht düster, sondern grün wie im Frühling, weil das Sonnenlicht auf den Blättern glitzert.

 

Genug der Schwärmerei.

Heut morgen bin ich im Rebenland aufgebrochen, ganz schön früh und ohne Frühstück, weil die Winzerwirtin so flexibel denn doch nicht war, um mir um 7:00 wenigstens einen Kaffee hinzustellen. Ich steige durch die Treppengässchen des noch schlafende Neuleiningen, ins Tal, dann wieder auf, bis ich an den Waldsaum komme (siehe oben).

Blick zurück nach Neuleiningen

Alles kommt mir sehr bekannt vor, weil ich diese Wege schon mit Hubert gegangen bin.

Battenberg mit seiner Burgruine ist nach einem relativ steilen Anstieg erreicht. Die „Blitzröhren“, ungezählte Löcher im Bundsandstein, irgendwie eine geologische Besonderheit, wegen der ich beim letzten Mal schon unter Lebensgefahr eine S-Kurve auf der Landstraße ohne Gehweg überquert habe, spare ich mir. Ich bin jetzt allein und muss auf mich aufpassen. Durch Battenberg durch, wo ich keinen Bäcker finde: „Hier gibt’s nur 3 Winzer!“  Das kann ja heiter werden! Langsam meldet sich der leere Magen. Aber der Weg dann auf den weichen Waldwegen, immer auf und ab am steilen Uferhang des Krumbachtals entlang, lenkt ab. Es ist absolut still. Im Bannwald – oder kurz davor – weitet sich der Blick und ich schaue auf einer Lichtung ins Tal.

Ein verwittertes Kreuz am Wegrand erzählt die tragische Geschichte eines Försters, der an dieser Stelle erschossen worden ist: Es gibt 3 Varianten, wieso und warum der „unbescholtene“ Mann um die Ecke gebracht worden sein soll. Kurz gefasst: Variation 1: Er hatte eine zu schöne Frau, auf die ein anderer sein Auge geworfen hatte. Variation 2: der Försterlehrling, der im Rollenspiel“ den finalen Schuss auf das Wildschwein üben sollte – wobei der Förster der Keiler war – hatte scharfe Munition im Gewehr. Variante 3: Schmuggler. Der Vorfall gehört zu den ungeklärten Mordfällen.


Beim Abzweig zum Ungeheuer-See diskutiere ich einige Minuten mit mir, ob ich die 800 Meter runter und wieder hoch laufe oder meine Energie spare (Mittlerweile habe ich mir doch eine kleine Blase eingehandelt). Ich entscheide mich für den Abstieg und werde nicht enttäuscht: Der See liegt eher wie ein zahmes Tier denn ein Ungeheuer in der Morgensonne. Enten schwimmen an gewaltigen Seerosenblättern vorbei, Libellen schwirren – und dann kommen die Japaner.
Zwei ältere Ehepaare. DIE Gelegenheit, etwas gegen meinen knurrenden Magen zu tun. Als ich mit Hubert hier an einem Wochenende war, war hier Remmidemmi. Und natürlich war die Hütte des Pfälzerwald-Vereins geöffnet, die jetzt an einem Wochentag geschlossen ist. Nur die Japaner können mir noch weiterhelfen. Sie bieten mir auch sofort geschnittene Pfirsichstückchen und Schokolade an. Was ich dankbar annehme. Mein Versuch englisch zu sprechen, wird von einem von ihnen, der hier lebt, unterbrochen: „Meine Freunde sind zu Besuch hier. Sie sprechen nur Japanisch. Ich übersetze.“ Ich denke an Julia: „Japanisch ist Weltsprache“.


Mit neuer Energie gehe ich den Hang bergauf wieder 800 m hoch. Komisch, vor ein paar Jahren, mit Hubert, war ich außer Puste. Jetzt geht es gut. Mit Rucksack. Klar, nach einer Woche Wandern!
Die Lindenmühle hat geöffnet. Gott sei Dank! Die sechs Kilometer bis Bad Dürkheim wären sonst eine Fastenwanderung geworden. Ich esse „Grumbeere mit Weißem Käs“, die Kartoffeln ungepellt geviertelt, das Messerchen daneben, zum Quark Zwiwelcher. Ein Genuss. Zum Bismarckturm hoch, der geschlossen ist ( wird vom Verein auch nur am Wochenende betrieben; hatte dort mit Hubert selbstgebackenen Kuchen gegessen, Nickerchen im Gras.
Dann geht es eigentlich nur noch – mit einigen kleinen Anstiegen – bergab. Vorbei am Teufelstein und an der Heidenmauer – ein keltischer Wall, den ich fast übersehen hätte, weil nirgendwo ein Hinweisschild war. Apropos: Der Weinsteig hat Note 1 mit Sternchen verdient, was die Markierungen betrifft. Immer wenn ich dachte, jetzt könnte mal wieder ein Zeichen kommen, tauchte eins auf. Mit Informationstafeln haben es die Pfälzer weniger. Kultur ist ja auch nicht alles. Hauptsache ankommen und „gut gess un getrunk“.


Kriemhilds Stuhl war schon bei der ersten Wanderung mit Hubert beeindruckend. Tatsächlich sieht der Steinbruch, aus dem bereits die Römer den bunten – hier hellen – Sandstein gebrochen haben, wie ein überdimensionierter Thron aus.
Es geht abwärts auf schmalen Pfaden und in engen Kehren. Der Weg zum Merkure-Hotel zieht sich. Aber dort – Luxus: Das Hotel hat einen direkten Zugang zum öffentlichen Schwimmbad, Solebecken inklusive. Das Bad tut dem Körper gut. Der Seele tut es gut, dass ich in der Fronmühle an den Salinen dann Dagmar und Dieter treffe.
Ich schlafe sehr gut. Vielleicht auch wegen der guten Luft aus den Salinen direkt gegenüber meinem Balkon.

 

Verlaufen, Schuh kaputt – aber alles ist gut!

Heute habe ich mich auf der ersten Etappe des Pfälzer Weinsteigs richtig verlaufen. Und mein rechter Schuh löst sich auf. Wie gut, dass morgen mein Ruhetag ist!
Aber der Reihe nach.


Bockenheim – Neuleiningen, die erste Etappe des Pfälzer Weinsteigs. Das ist kein Problem, habe ich mir gedacht. Nur die Sonne – gemeldet waren 36 Grad – könnte die Sache anstrengend machen.
Also um 7: 00 Uhr sehr gut in der Pension Brunnet gefrühstückt und dann direkt hoch durch die Weinberge, wo ich oben auf meinen Weg treffen will. Klappt. Es ist schon warm, aber je höher ich komme, desto mehr frischt ein leichter Wind auf. Eine Heiligenkirche liegt am Weg, eine kleine Feldkapelle, dem Petrus geweiht, mit barockem Portal, die in die Ruinen der romanischen Vorgängerkirche gebaut ist. Die gemauerte „Gnadenquelle“ davor ist derzeit versiegt. Aber ein Plastikeimer davor sagt mir, dass das nicht immer so ist.
Ein Kreis von Kastanienbäumen umschließt das Rund, als wollte er etwas beschützen. Das Böse fern halten. Was das ist, sehe ich eine Kehre weiter und ca. 50 Meter höher: Der „Katzenstein“, ein großer Felsblock aus Muschelkalkstein – man vermutet ein heidnischer Opferstein unsrer Vorvorfahren. Da haben die christlichen Missionare den Petrus mal gegen den Donar ins Feld geschickt!


Weiter durch die Weinberge. Leider kann man die Aussicht auf die Rheinebene nicht fotografieren – es ist einfach zu hell. Aber den Blick hinab auf diese weite, weite flache Ebene kann eh‘ keine Tablet-Kamera festhalten.
Auf der anderen Seite meine ich den Donnersberg zu sehen, will aber für meine geographischen Kenntnisse nicht die Hand ins Feuer legen.


Die Weinterrassen hier unterscheiden sich sehr von denen in Rheinhessen: Sie sind sanfter, haben weichere Bewegungen. Wie weite grüne Sonnensegel.

Während ich so sinniere, bin ich immer weiter abwärts gelaufen und merke erst zu spät, dass ich einen Abzweig übersehen habe.
Ein Winzer, der mir auf seinem Traktor entgegen kommt, hilft weiter, denn ich will nicht den ganzen weiten Hang wieder hoch laufen. Also weiter runter, dann rechts an der Sporthalle vorbei bis zur Hauptstraße: „Über den Bersch, den du do siehscht, Mädche, do muscht niwwer. Beim nächste, do siehscht dann schun Neuleininge“, erklärt er in vorderpfälzischem Singsang. Aller dann!
Ich folge seinen Anweisungen, was in Ordnung war, folge den Anweisungen eines weiteren „Einheimischen“, der mich in die Irre führt, und lande dann im Pfalzhotel in Asselheim, wo ich mir einen Kaffee genehmige. Von hier sind es knappe 3 Kilometer nach Grünstadt. Dort komme ich dann wieder auf den Weinsteig.
In Grünstadt kaufe ich in der hübschen Fußgängerzone ein Schälchen Himbeeren und mache es mir im ehemaligen Schlosspark – oder was davon übrig ist – gemütlich. Ich komme mit einem älteren Herrn auf einer Parkbank ins Gespräch. Vor sich hat er seinen Rollator stehen. Er kennt alle Wege. Wir vertiefen uns in die Landkarte. Er bekommt leuchtende Augen. „Sie sind wohl früher viel gewandert?“ „Ja, sehr viel. Irgendwann geht es halt nicht mehr“. Pause. Und dann: „Wandern macht frei.“ Dabei schaut er nicht auf den Rollator, sondern irgendwohin in die Ferne.

Aller dann!
Der Weg hoch in die Weinberge ist schweißtreibend. Und als ich an einem großen Nussbaum ankomme, denke ich mir, dass das ein gutes Plätzchen für eine Rast sei. Ich muss ja nicht in der Mittagshitze laufen!
Da entdecke ich das Malheur: Vorne an der Spitze des linken Schuhs löst sich die Sohle. Mit so einem Schuh habe ich mir in den Alpen vor Jahren das Bein gebrochen.
Sehr konzentriert gehe ich die restlichen 2,5 Kilometer bis zu meinem Etappenziel, dem Winzerhof „Sonnenberg“, mitten im gleichnamigen Weinhang, mit einem fantastischen Blick auf die Burgruine Neuleiningen. Nur die unten im Tal verlaufende Autobahn stört mit ihrem Lärmteppich etwas die Idylle. Aber man kann nicht immer alles haben.
Fazit des Tages:
Punkt 1: Es gibt immer einen zweiten Weg.
Punkt 2: Die Freiheit beim Wandern besteht auch darin, sich mal nicht an die vorgegebenen Wegmarkierungen zu halten.
Punk 3: Wer sich verläuft kürzt manches Mal auch ab. Das war heute der Fall. Und bei 36 Grad war das nicht das Schlechteste.
Morgen habe ich Zeit, mich um den kaputten Schuh zu kümmern.

 

 

 

© 2024 Wolkenfolgen

Theme von Anders NorénHoch ↑