Kurz nach 8:00 Uhr am Sonntag morgen kommen Jürgen und Annette in Deidesheim an. Gestern noch haben sie dem Sohn bis spät abends beim Umzug geholfen, heute sind sie fast noch in der Nacht zu mir aufgebrochen, um rechtzeitig in Deidesheim zu sein. Wir frühstücken zusammen, dann geht es los: Über den Geissbockweg nach Lambrecht.

Das ist ein historischer Weg, den die Menschen der Gegend schon im 15. Jahrhundert gegangen sind. Die Lambrechter hatten Weiderechte von den Deidesheimern erhalten, und zahlten immer am Pfingstdienstag ihre Pacht: einen „gut gehörnten und wohl bebeutelten“ Ziegenbock. Das jüngste Brautpaar musste das Tier zu Sonnenaufgang an der Waldgrenze bei Deidesheim abliefern. Klar, dass es von vielen Lambrechtern begleitet worden ist, und ebenso klar, dass die Deidesheimer auch im Pulk zur Übernahme kamen. Der Bock wurde dann versteigert, um die Stadtkasse aufzufüllen.

Wie man sich denken kann, gab es um den Bock schnell Streitigkeiten, weil es im Blickwinkel des jeweiligen Betrachters liegt, ob ein Ziegenbock „gut gehörnt und wohl gebeutelt“ ist. 1808 musste sogar Napoleon (die Pfalz war zu dieser Zeit französisch) als Schlichter dienen, weil die Deidesheimer so unzufrieden mit dem Aussehen der gelieferten Ware waren. (Steht alles sehr ausführlich auf Wikipedia). Das muss man sich mal vorstellen: Der grosse Feldherr erobert gerade Spanien und beurteilt gleichzeitig die Güte des Bocks in der Pfalz! Aber Napoleon war ja für sein Multitasking bekannt.

Aber zurück zum Wandern.

Per Zufall bin ich bei den Vorbereitungen auf diese Tour gestoßen. Sie geht zwar steil hoch bis zum Weissen Stich (472 Meter), dafür spart sie mir aber eine zusätzlich Etappe bis Neustadt.
Wir gehen den Weg umgekehrt, also von Deidesheim nach Lambrecht. Vielleicht liegt es daran, dass wir eine Zeitlang brauchen, bis wir den „Geissbock“ gefunden haben. Wir müssen durch Deidesheim durch – dem Pfälzer Weinsteig folgend. Am Mühlenparkplatz zweigt dann der Weg rechts ab, was aber leicht zu übersehen ist, weil zum einen der Parkplatz kein richtiger Parkplatz ist und zum anderen sich dort noch keine Markierung findet. Jedenfalls keine für uns sichtbare. Deshalb ist man schnell oben am Pfalzblick mit einem weiteren Parkplatz. Für diejenigen, die diesen sehr empfehlenswerten alten Weg auch gehen wollen: An der grossen Hinweistafel zweigt er vom Weinsteig ab.
Wer wie wir trotzdem zum Pfalzblick geht, der hält sich dann auf dem breiten Forstweg, der halbrechts hoch geht. Nach einer Weile liegt ein paar Meter unterhalb die Waldschenke, an der der Geissbockweg vorbei führt. Es ist ratsam, zur Schenke hinabzugehen, weil erst hinter der Schenke das Wegzeichen, ein Geissbock, auftaucht. Die Wegmarkierung vorher (auch ein Tierbild) zeigen, einen anderen Weg, den Eselsweg. Ich z.B. hätte den Esel für den Bock genommen, wenn Annette mich nicht auf die wesentlichen Unterschiede aufmerksam gemacht hätte.

Mit dem Geissbock als Begleitung geht es dann einfach und sicher stetig bergauf, aber nicht zu anstrengend, auf weichen Waldpfaden und unter kühlem Blätterdach. Wir sind jetzt im Pfälzer Wald. Der Wein und die Reben liegen hinter uns. Es Wir wandern immer am Weinbach entlang (führt stinknormales Wasser!). Am höchsten Punkt, dem Weißen Stich, machen wir eine kleine Rast, um dann bis zum Forsthaus Silbertal abzusteigen. Das ist ein absoluter Tipp. Pfälzische Küche – alles was der Pfälzer Gaumen begehrt. Und gut! Allein die Dampfnudeln mit Weinsosse und Grumbeersupp gibt’s nur samstags. Aber die Suppe ohne die Dampfnudeln schmeckt auch.
Gut gestärkt machen wir uns auf das letzte Teilstück bergab. Dabei gehen wir den größten Teil durch das langgestreckte Lindental, das sich als Strassendorf den Hang nach Lambrecht hinunter zieht. Das hat auch mal bessere Zeiten gesehen.

Nach einem (Eis)kaffee am Nachmittag trennen sich leider unsere Wege.

Ich glaube, auch meine beiden Mitwanderer können den Weg empfehlen. Für Jürgen und mich war es ein Stück Heimatwanderung. Kindheitserinnerungen wurden dabei wach.

Annette und Jürgen nehmen den Zug nach Deidesheim, ich laufe noch die 2 Kilometer nach Frankeneck. Von dort im nächsten Blog mehr.