Wolkenfolgen

Reisen

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Thüringer Rahmkuchen unterm Kirschbaum

Frisch geduscht sitze ich nachmittags in Vacha  bei Kaffee und Kuchen im Garten von Verwandten eines Freundes aus Mainz. Es gibt Thüringer Rahmkuchen, wahlweise mit Johannisbeeren oder Kirschen. Mit einer ordentlichen Portion Sahne. Herrlich!

Der Widmarkt, heute Rathaus, in dem bereits Napoleon übernachtet hat. Das imposante dreistöckige Gebäude wurde Anfang des 17. Jahrhunderts erbaut, ebenso der Vitusbrunnen. Vacha war ein Handelszentrum, weil es an der wichtigen Via Regia lag mit der Brücke über die Werra.

Wir reden von Vacha und seinen Fachwerkshäusern, vom Markt mit Gebäuden aus dem 15. Jahrhundert, von den Kelten, die hier, um den Oechsenberg siedelten. Ich höre viel vom Kaliwerk, von den Basaltsäulen, die früher am Oechsen abgebaut wurden, von den Störchen auf dem Storchenturm und von Napoleon, der hier nach seinem Rückzug von der Völkerschlacht bei Leipzig Quartier bezogen hat. Ich höre Geschichten vom Leben an der Grenze vor dem Mauerfall und von der Grenzöffnung und, und, und.

Symbole dreier Epochen: Ganz hinten ein Wachturm, in der Mitte die Postsäule der Via Regia und vorne das „Ampelmännchen“ als Kunstprojekt „Einheitsmann“.

Ansicht von Vacha mit Storchenturm und Hausberg, dem Oechsen.

Ich merke – wieder einmal – wie stolz die Menschen auf ihre Region sind und auf das, was sie erreicht haben.

Und dann fahren wir noch ein wenig durch die nähere Umgebung: zur Ruine der Annen-Kapelle aus  dem 15. Jahrhundert, wir bewundern von unterschiedlichen Stellen aus die Aussicht auf die Stadt und die umliegenden Berge, wir sehen in der Ferne  das hessische Kegelspiel und in der Nähe das benachbarte hessische Philippstal.

„Früher wurden die Lehrerinnen und Erzieherinnen zu Kartoffelernte hierher in den Sperrbezirk beordert. Ich war hellauf begeistert von den weißen und sauberen Häuser die ich im Westen sah.“

Klar, Philippstal boomte in der Nachkriegszeit durch das Kali-Werk.

Blick von der Brücke nach Vacha.

 

Blick au das Hossfeldsche Haus

Am Schluss fahren wir zur Werra-Brücke, der Brücke der Einheit. Sie wurde im 14. Jahrhundert gebaut, um Vacha und Philippstal zu verbinden. Eine herrliche Brücke, die an der Via Regia liegt, der alten west-östlichen  Heer- und Handelsstrasse, die auch von Frankfurt nach Leipzig führt.

Und dann durfte sie 40 Jahre niemand überqueren. Weil hier die Grenze verlief. Eine Brücke, die ihren Sinn verloren hatte. Bis 1990 die Grenzen fielen.

Auf der anderen Seite der Brücke von Vachaer Seite aus gesehen fällt ein großes weißes Haus auf. Es ist das Hoßfeldsche Haus, durch das die Grenze lief. Es wurde 1890 erbaut und beherbergte eine Druckerei. Aus steuerlichen Gründen stand es zu 11/12 auf preußischer  Seite, der Rest lag auf thüringischem Boden. Als sich 1951 die Grenze mehr und mehr schloss, verlagerte die Besitzerin die Druckmaschinen in der Silvesternacht 51/52 in den hessischen Gebäudeteil und mauerte die Verbindungstür zu.  Daraufhin verwehrte die DDR Frau Hoßfeld  den Zugang zu dieser Haushälfte. Erst nach dem Grundlagenvertrag wurde das thüringische Zwölftel des Hauses wieder an sie zur Nutzung übergeben.

Abends schwirrt mir der Kopf. Und gleichzeitig war es ein Privileg als Fremde so kundig durch eine Stadt geführt zu werden.

Morgen bin ich wieder allein unterwegs.

Unkrautvernichter, Schwarzstörche und die Kali-Abraumhalde

Die Nebel lichten sich, und es verspricht ein wunderbarer Wandertag zu werden. Dann ist mein Portemonnaie weg. Panik. Findet sich aber wieder. Ich werde nach dem Frühstück mit dem Auto wieder zurück zu meinem Ausgangspunkt nach Wenigentaft gebracht. Meine Fahrerin, Hotelangestellte, kommt aus der Gegend. Sie interessiert sich sehr für meine Wanderung. „Hier“, deutet sie auf eine Stelle an der Ulster, „ hier ist mein Bruder rüber. Wir kommen aus Buttlar. Hatten Landwirtschaft. Mein Bruder wusste, das an der Ulster Hundelaufanlagen waren. Da hat er Würste mitgenommen.“. Er war damals 21. Er hat es geschafft.

Das Grenzsicherungssystem bestand nicht nur aus dem Zaun, der über die Jahre immer mehr perfektioniert wurde.  Da waren: eine 5 Kilometer breite Sperrzone, ein 500 Meter breiter Schutzstreifen und ein 10-Meter Kontrollstreifen.  Sperrzone und  Schutzstreifen durften nur unter bestimmten Voraussetzungen betreten werden; man brauchte einen Vermerk im Personalausweis, Besucher:innen benötigten einen Passagierschein. Direkt vor dem Schutzstreifen war ein Zaun mit elektronischen und akustischen Signalanlagen. Lag eine Ortschaft innerhalb des Schutzstreifens, wurde sie geschleift oder mit einer Betonmauer/Sichtblende umgeben. Innerhalb des Schutzstreifens befanden sich die Beobachtungs- bzw. Führtürme, die Hundelaufanlagen, der Kolonnenweg/Plattenweg mit den Peitschenlampen, links daneben der Kfz-Sperrgraben mit Betonplatten. Danach erst kam der über 3 Meter Höhe Metallzaun, eine freie Fläche  und dann die eigentliche Grenze mit Grenzpfählen und -steinen.  Flüsse wie z. B. die Werra erhielten Flusssperranlagen, die bis zum Boden reichten.

Anderes Thema. Ich lenke ab. „Aber heute ist die Landschaft entlang des Grünen Bandes ein Paradies. Orchideen habe ich gesehen. Ganze Ansammlungen davon entlang des Plattenweges.“ „ Ja, und Kuhschellen gibt’s hier viel. Aber früher wurde hier alles totgespritzt.“  Gemeint sind die Wiesen im Kontrollstreifen und bis zur Grenze. Das freie Schussfeld.  „Und in den Dörfern sind sehr viele an Krebs gestorben“.

Ich hatte bis dahin immer gedacht, die Wiesen seien auch zu DDR-Zeiten ordentlich gemäht worden. Aber später am Tag wird mir das ungefragt bestätigt, als ich mit Verwandten eines Freundes an den Werrawiesen stehe: „Hier haben Sie damals alles abgespritzt.“

Am ehemaligen Bahnhof Wenigentaft steige ich aus. Das war vor der Teilung ein regionaler Verkehrsknotenpunkt, der dann, wie die gesamte Bahnstrecke, der Grenzsicherung zum Opfer fiel.

Ich gehe in den Ulstersack. Hier ragte das Gebiet der BRD wie ein Sack in die DDR. Hauptsächlich bestand der „Sack“  aus Wiese.  Heute morgen, als ich auf dem Ulster-Radweg dort entlang gehe,  sehe ich ein Paar Schwarzstörche. Wunderbar. Ich fotografiere, aber immer wenn ich näher komme, fliegen sie auf.

Am Flaschenhals des Ulstersacks biege ich ab und hinauf in den Wald. Hier strengt das Aufsteigen noch nicht so an. Ausserdem ist der Kolonnenweg überschottert. Es ist früher Morgen, die Natur erfrischt und die Vögel zwitschern. Bald bin ich an der Winterliete, einem vergessenen Beobachtungsturm,  der heute unter Denkmalschutz steht.

 

Und da sehe ich ihn zum ersten Mal: den Monte Kali von Hattdorf. Er wird mich den Rest der Wanderung dieses Tages begleiten, mal weiter entfernt, mal ganz nah.

Aber erst einmal muss ich steil runter zur Strasse Glaam -Unterbreizbach – und dann gleich wieder hoch.

Die Kali-Abraumhalde ist jetzt ganz nah. Monströs. Mir kommt sie vor wie von einem anderen Stern oder wie eine Düne in der Wüste. Nur das üppige Grün stört die Vorstellung.  Mehr zum Kali-Abbau in einem anderen Blog.

Es zieht sich jetzt. Runter zur Ulster nach Unterbreizbach, entlang der Ulster, und dann nochmal steil hoch. Nach einem 20 Kilometern  liegt Vacha unter mir. Da werde ich erwartet.

 

 

Roger Loewig: Noch bleibt die Narbe quer durchs Land

Noch bleibt die Narbe quer durchs Land.
Nach Jahr und Tag wird Erde, Sand,
Gebüsch und Gras darüberziehn
und sie dem Auge bald verbergen.

Hier sollen nie mehr Menschen fliehn
und niemals wieder Tränen fließen
und nie mehr Mauern stehn – und Schergen
nie wieder unser Blut vergießen
auf streng geheime Schießbefehle.
Die Schnitte aber in die Seele
vernarbten nicht. Aus dem Gelände
sind Turm und Graben und sind Wände
und Flucht so leicht nicht wegzuschieben.

Was gestern hier war und was drüben,
berührt heut weder Fluß noch Strand,
und von dem Risse quer durchs Land
ist eine Narbe nur geblieben.

Der steilste Abhang

Als ich heute morgen aus meinem „Schlossfenster“ schaue, nieselt es immer noch. Die Deutschland-Fahne auf dem Platz hängt nass und schlapp herunter, die Kuppeln der Rhön sind wolkenverhangen, die Wanderschuhe sind von gestern auch noch feucht, weil ich kein Zeitungspapier zur Hand hatte.

Soll ich mir nicht besser gleich ein Taxi zum Hessen Hotelpark Hohenroda nehmen statt durch den Regen zu gehen?

Ich frühstücke erst einmal, kaufe mir dann Schuhwachs und habe mich eigentlich schon längst entschieden, auch bei Nieselregen zu laufen. Allerdings muss ich dazu erst mal wieder hoch zu Point Alpha. Dann auf den Kolonnenweg. Es ist heute morgen so still, die Natur ist so frisch und grün. Ein wunderbares Stück Deutschland, dessen leidvoller Riss einmal genau hier durch ging.

Es bleibt die Narbe.

Ich komme zu dem Punkt, an dem der steilste Abhang des gesamten       1. 400 Kilometer langen Plattenweges ist. Die Lochplatten sind hier entfernt, weil es, so entnehme ich dem Wanderführer, einen tödlichen Unfall bei Crossabfahrten gegeben hat.

Übrigens: Lochplatte ist nicht gleich Lochplatte. Aber das hatte ich schon vor 3 Jahren geschrieben.

Bald bin ich in Wenigentaft. Wie verabredet, telefoniere ich mit dem Hotel, 9 Autominuten entfernt.  Luxus pur. Ich werde abgeholt und relaxe den Rest des Tages, während das Wetter aufklart. Morgen geht es mindestens 20 Kilometer nach Vacha. Da erwarten mich Verwandte eines sehr guten Freundes von Hubert zur Stadtbesichtigung. Wie schön!

Es klart auf. Blick von meinem Hotelzimmer in Hohenroda.

Geisa, Kleinod an der Ulster, leider im Regen


Geisa von Point Alpha aus. Die Vulkankegel sind leider wolkenverhangen.

Geisa, die westlichste Stadt der damaligen Warschauer-Pakt-Staaten, während der Teilung Deutschland isoliert im Sperrgebiet, hat sich nach der Wende zu einem Kleinod an der Ulster entwickelt.

Ein barockes Schlossensemble, das heute die Point Alpha Stiftung mit angeschlossenem Hotel beherbergt, ein neogotisches Rathaus an dem hübschen Markt, eine unversehrte Stadtmauer, gut restaurierte Häuser, Straßen, Plätze und Wege mit Natursteinen gepflastert. Hier übernachte ich im Schloss, trinke Kaffee in der ältesten Bäckerei Thüringens und lasse den Tag ausklingen.

Point Alpha

Aug‘ in Aug‘: Links der Beobachtungsturm der Amerikaner, rechts der Führungsturm der ehemaligen DDR.

Point Alpha – außer Berlin ist das wohl der einzige Ort in Deutschland, an dem sich der „Kalte Krieg“ so deutlich manifestiert hat.

Hier standen sich die beiden konkurrierenden Systeme und Machtblöcke – der Warschauer Pakt und die NATO – bis 1990 gegenüber. Soldaten der US-Armee auf dem Turm des Observation Post Alpha auf Rasdorfer Seite und Grenzer der DDR auf dem Führungsturm auf Geisaer Seite wenige Meter voneinader entfernt, praktisch von Angesicht zu Angesicht.

Der Bundesgrenzschutz

Heute ist das gesamte Gelände – Grenzsicherungsanlagen, das „Haus auf der Grenze“ und das US-Camp eine hervorragend konzipierte Gedenk-, Erinnerungs- und Lernstätte, an der deutsch-deutsche Geschichte erlebbar wird. Authentische Orte, Zeitzeugenberichte, Berichte auch von US-Soldaten über das Leben im Camp, die alten Widerstandslieder der Friedensbewegung, die Möglichkeit zum eigenen „Story telling“ und, und, und.

Jugenderinnerungen werden wach:

An die Angst einer atomaren Auseinandersetzung, denn in meinem Heimatort Bruchmühlbach-Miesau in der Pfalz liegt im Miesau Army Depot das größte Munitionsdepot der US-Armee außerhalb der USA.

An den Rüstungswettlauf, das fragile „Gleichgewicht des Schreckens“, den NATO-Doppelbeschluss, die große Demonstration in Bonn dagegen, an die Menschenketten.

Aber auch der Alltag mit den Amerikanern kommt mir wieder in die Erinnerung, als ich in einer der Ausstellungen in den ehemaligen US-Baracken von den Versuchen gemeinsamer Sportfeste lese.

Hier in Point Alpha hat sich aber alles gebündelt wie in einem Brennglas. Es war der „heißeste Ort im Kalten Krieg“. Hier – so die geostrategischen Überlegungen der NATO, in der hessischen Rhön, wo Ost und West aufeinander treffen, am so genannten Fulda Gap, wäre die beste Möglichkeit für die Pakt-Staaten, in Westeuropa einzumarschieren. Hier könnte die Lage eskalieren, es womöglich zu einer atomaren Auseinandersetzung kommen.

„Eines Morgens brüllt der Radarmann ‚Alarm, Alarm‘ und meldet 50 ostdeutsche Grenzsoldaten direkt am Zaun. Unser Kommandant war kurz davor, die militärische Meldekette nach Fulda und Heidelberg auszulösen. Glücklicherweise löste sich der Rhöner Nebel auf, unten saßen nur große Hasen. Wir hatten gedacht, jetzt kommt der 3. Weltkrieg.“ Vern Croley, Platoon Searant. Zeitzeugenbericht.

Eindrücklich beschreibt Volker Bausch, Direktor der Point Alpha Stiftung, „als die Welt am Abgrund stand – und niemand es merkte“: Im September 1983 wurde bei einem Beobachtungspunkt in der Nähe von Moskau auf dem Kontrollschirm Alarm gemeldet: Eine Minuteman-Rakete ist aus den Vereinigten Staaten gestartet.  Eine zweite, dritte und vierte wird gemeldet, abgefeuert aus Montana. Vier Interkontinentalraketen, jede mit mehreren Atomsprengköpfen bestückt, auf dem Weg in Richtung Sowjetunion. Noch 20 Minuten Zeit.  Eine weitere Rakete startet. Es wird Raketenangriff gemeldet. Hat die atomare Apokalypse begonnen? Jetzt muss der sowjetische Gegenschlag erfolgen. Es war ein Oberstleutnant – Petrow– der eine Entscheidung trifft: Fehlalarm. Erst nach mehreren Minuten melden auch die Bodenradarstationen, dass keine Raketen im Anflug sind. (Detailliert in: Mira Keune, Volker Bausch: Point Alpha. Vom heißen Ort im Kalten Krieg zum Lernort der Geschichte. Anhang. Seiten 77ff. Point Alpha Stiftung 2019).

Angesichts aktuell weltweit wieder aufkommender Kriegsrhetorik, mehr noch, angesichts der Tatsache, dass immer häufiger Konflikte militärisch ausgetragen werden, ist diese Erinnerungs- und Bildungsstätte wichtiger denn je.

Ein Besuch lohnt – auch von Menschen, die nicht wandern.

Weg der Hoffnung

Tür zur Freiheit

Erst wusste ich gar nicht richtig, was das soll. Wahrscheinlich weil ich aus der entgegengesetzen Richtung kam. Vom „Haus an der Grenze“, ein Bildungs- und Erinnerungsort beim Point Alpha oberhalb von Geisa, zieht sich ein Skulpturenweg auf dem ehemaligen Todesstreifen entlang. Auf 1.400 Meter Länge verteilen sich  14 Eisenskulpturen. Am Ende stehen geöffnete Türen. Ich komme die Strecke von Reinhards hinauf zum Point Alpha und gehe quasi durch die Tür hinein statt hinaus.

Die Pieta

„Weg der Hoffnung“ heisst das monumentale Gesamtkunstwerk am Kolonnenweg. Die 1.400 Meter weisen auf die 1.400 Kilometer lange ehemalige innerdeutsche Grenze hin,  die 14 Stationen sind einem christlichen Kreuzweg nachgestaltet.

Das Schweisstuch der Veronika ist ein Spiegel, in dem man sich selbst und/oder den Kolonnenweg sehen kann.

Der Künstler Ulrich Barnickel hat das Kunstprojekt – im Auftrag der Point Alpha Stiftung –  gestaltet als Erinnerung an den Widerstand gegen die ehemaligen Diktaturen in Mittel- und Osteuropa, als Erinnerung an den Freiheitswillen von Menschen und an die Opfer, die viele für ihre Überzeugung gebracht haben.

Es ist unglaublich beeindruckend, aber auch erschütternd.

 

 

Gesundheitsbulletin

Meine nun etwas kleinere Lunge hat sich an mein Wandertempo gewöhnt. Sie hat schnell gelernt.

Blutdruck und Herz freuen sich über soviel Bewegung.

Die Aorta hält still dank des Antikörpers.

Der Hallux mit Arthrose am rechten Zeh macht noch keinen Mucks.

Aber: Da meine neuen Einlagen für die Wanderschuhe nicht rechtzeitig ankamen und ich sie deshalb nicht ordentlich einlaufen konnte, hat sich meine Achillessehne etwas entzündet. Was schmerzhaft ist.

Dank der hervorragenden Diagnosen meines „Schwiegerfreundes“ und meines telefonisch konsultierten Lieblingsorthopäden, wurde folgender Therapieplan erstellt: wenig Doping ( Voltaren), abwechselnd alte und neue Einlagen anziehen, es mit den Kilometern nicht übertreiben – und dann noch das eigens für mich manuell  hergestellte Wundpflaster, das die Stelle entlastet, die beim Abrollen schmerzt.

Heute hat es geholfen, nachdem ich gestern Abend – den Tränen nahe – abbrechen wollte.

 

Grenzziehungen

Die eine Seite des Grenzsteins zeigt zum Großherzogtum Sachsen-Weimar, heute Landkreis Wartburg/Thüringen.

Heute gehe ich von Sperrbezirk (Reinharts) zu Sperrbezirk (Geisa). Und von 16 Kilometern laufe ich  mindestens 12 auf dem ehemaligen Kolonnenweg. Bei Nieselwetter. Aber ich habe ja mein 100-Euro-Cape, leicht wie eine Feder und trotzdem mit sicherem Schutz vor Regen und auch als „Zeltdach“ benutzbar.

Es geht steil hoch und steil runter, und wieder hoch und runter und so fort. Cardio-Training, wie Annette bereits auf der Grenztour vor 3 Jahren zu sagen pflegte. Ich finde es heute ganz gut, schont es doch meine Achillessehne mehr als das ebenerdige Gehen (siehe Gesundheitsbulletin).

Die Westgrenze der sowjetischen Besatzungszone wurde in den Abkommen von London, Jalta und Potsdam festgelegt. Sie verlief über Lübeck, Helmstedt, Eisenach, Hof und orientierte sich dabei an den historischen Grenzen des Wiener Kongresses. Schon damals hatte man Regionen geteilt, die eigentlich zusammen gehörten. Geisa zum lutherischen Grossherzogtum Sachsen-Weimar, das benachbarte Rasdorf zum Königreich Preussen. Ursprünglich gehörten beide zum katholischen Fürstbistum Fulda.

Diese Seite – Königreich Preussen – weist zum Landkreis Fulda/Hessen.

Zufällig entdecke ich in der Nähe des Kolonnenweges einen Grenzstein mit den Inschriften GSW und KP. Der Besitzer des Wassermannshofs klärt mich auf. Und bis heute gehört Rasdorf zum Landkreis Fulda in Hessen, Geisa zum Wartburgkreis in Thüringen. Zwischen diesen beiden Landkreisen wechsle ich seit ein paar Tagen ständig hin und her. Manchmal weiß ich nicht, wo ich gerade bin.

Nur auf dem Plattenweg hat man zynischer Weise immer Klarheit: links (von meiner Gehrichtung aus) ist Hessen, rechts Thüringen. Ich könnte auch sagen: Da herrscht Ordnung und Klarheit.

Aber will ich das?

Freiheit sollte doch auch mit einem gewissen Grad an Chaos zurecht kommen, oder?

 

 

 

 

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