Wir sind am Fuße des Riesengebirges angekommen, wo wir in Karpacz/Krummhügel die beiden letzten Nächte unserer Tour durchs schlesische Elysium verbringen werden. Der Ort war schon sehr früh beliebtes Ziel naturhungriger Städter und Städterinnen, vor allem, als gegen Ende des 19. Jahrhunderts die schlesische Gebirgsbahn Berlin mit Krummhübel direkt verband. Der Ort wurde zum Wintersport und zur Sommerfrische. Theodor Fontane schrieb hier den Roman Quitt, der auf einer wahren Kriminalgeschichte aus dem Ort beruht.
Heute ist Karpacz/Krummhügel einer jener Orte, die es überall in Gebirgsregionen gibt: mit Ferienhausanlagen und Hotelklötzen, mit Souvenirständen, einer Ski-Arena, Pommes- und Dönerbuden. Einige schöne alte Villen und – ehemalige – Hotels findet man zwischen Schnellrestaurants und Kinderbelustigungen. Es ist noch viel los Anfang Septemer. Wie schön, dass wir etwas am Rand von Karpacz übernachten. Hier ist es ruhig.
Wir beschließen, zur Kirche Wang zu laufen, die auf 800 Meter Höhe über dem Ort liegt. Wieder so eine Kuriosität in Niederschlesien, denn die Stabkirche stammt aus Norwegen aus dem 12. Jahrhundert, wo sie in Vang in den 40er Jahren des 19. Jahrunderts abgerissen werden sollte. Ein norwegischer Maler, der in Dresden lebte, wollte verhindern, dass das Kleinod aus der Wikingerzeit zerstört wird. Er schaffte es, dass der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV die Kirche kaufte. In Einzelteile zerlegt, wurde das alte Stück nach Berlin transportiert, wo es auf der Pfaueninsel wieder aufgebaut werden sollte. Diese Idee wurde aber nicht umgesetzt. So landete die wunderschöne Holzkirche schließlich auf Initiative einer Gräfin am Fuß der Schneekoppe. Irgendwie passt sie in die Landschaft, und wirkt doch geheimnisvoll: Im reich geschnitzten Inneren lebt die Tradition der Wikinger. Und deren ornamentale Schnitzkunst wiederum erinnert an arabische Arabesken und Bögen. Das alles zusammen in einer christlichen Kirche hat etwas Versöhnliches.
Wer wie wir zur Kirche wandern will, braucht etwas Kondition. Zuerst geht es noch sanft ansteigend an der Lomnitza entlang, aber dann schwitzt man schnaufend die Strasse in engen steilen Kehren hoch. Es lohnt die Mühe.