Reisen

Kategorie: Uncategorized (Seite 2 von 3)

In einem kühlen Grunde

Der Weg von Schalkau nach Eisfeld heute ist trotz der Hitze ein Genuss. Schon um 7 Uhr hat mir die Zimmerwirtin den Kaffee gebracht. Sie war Spielzeugfacharbeiterin in der DDR: „Lang ist das her“, sagt sie. Ein paar Puppen stehen noch in einer Vitrine.

Zurück in Almerswind, wo ich gestern auf dem Hinweg schon vorbei gekommen war. Da hatte mir die Gastwirtin ein großes Glas Wasser gegeben und den Weg nach Schalkau gezeigt.
Dort entdecke ich das wunderschönste Schieferhaus auf der ganzen Tour: Schieferwände mit Staniolmalerei. Überhaupt sind die Häuser hier in den Dörfern der Umgebung fein rausgeputzt, ohne „Schickimicki“ zu sein. In Weissenbrunn am Wald zum Beispiel: Mit viel Einfühlungsvermögen hergerichtete Fachwerkhäuser, daneben Bauernhöfe, wo es den Misthaufen im Hof noch gibt und die Gänsefamilie auf der Wiese zum Bach spaziert.

Von Almerswind aus geht es immer auf dem Kolonnenweg zügig hoch und dann durch den Wald. Heute komme ich mal sehr schnell voran. Und wenn man so mitten im Sinnieren ist, mit sich und der Welt und dem Weg im Reinen,  wird es wieder verstörend: In diesem Wiesengrund stand einmal eine Mühle. Nichts außer einem Hinweisschild erinnert daran. Die Weihersmühle wurde 1515 (!) zum ersten Mal erwähnt. Nie scherte sich jemand daran, dass sie an der Landesgrenze zwischen Coburg und Meiningen , später Thüringen und Bayern lag. Bis 1961 die Mauer in Berlin gebaut wurde. Da wurden die Besitzer nach Schmalkalden umgesiedelt, weil man sie verdächtigte, Menschen bei der Flucht geholfen zu haben. Das Gehöft wurde abgerissen. „In einem kühlen Gründe“….
Nach Görsdorf, dem Dorf mit der Restmauer, verändert sich die Landschaft unmerklich. Viele Kiefern neben Fichten, Heidekraut, Ginster ( was muss das an Pfingsten für ein gelber Rausch sein!), Sandboden.

Ich gehe durch das Naturschutzgebiet Görsdorfer Heide. Es ist entstanden, weil ein Regime einst einen todbringenden Zaun durch ganz Deutschland gezogen hat. Heute bietet es vielen seltenen Pflanzen und Tieren Schutz. Damit das so bleibt, muss diese „Kulturlandschaft“ ständig gepflegt werden. Sonst verbuscht sie. Verrückte Welt!
In Eisfeld, in der Nähe der Autobahnabfahrt, am damaligen Grenzübergang übernachte ich im Waldhotel Hubertus. Hubert hätte es jetzt nicht so sehr zugesagt. Mir ehrlich auch nicht. Aber die Bedienung war sehr freundlich.

Die mauer

Mauerstück bei Görsdorf: Es ist nach Mödlareuth und Heinersdorf das dritte Dorf an der ehemaligen Grenze, das durch eine Mauer geteilt bzw. abgeschirmt wurde.

 

Zum 3.oktober 1990

Als wir sie schleiften, ahnten wir nicht,

wie hoch sie ist

in uns

 

Wir hatten uns gewöhnt

an ihren horizont

 

Und an die windstille

 

In ihrem schatten

warfen alle keine schatten

 

Nun stehen wir entblößt

jeder entschuldigung.

Rainer Kunze

 

 

Wenig Strecke, viele Kilometer

Auch das gibt es: mutwillig zerstörte Informationstafeln zum Grünen Band und dem Naturschutz. Gesehen oberhalb von Meilschnitz.

Ich war durch den Wanderführer vorgewarnt: Der Kolonnenweg bei Meilschnitz sei sehr steil. Und das war nicht übertrieben. Obwohl es noch früher Morgen ist, schwitze ich aus allen Poren. Ich kann mir kaum vorstellen , dass hier Fahrzeuge hoch kommen. Na ja, Militärfahrzeuge wohl schon.
Dabei ist der Weg durch den Wald toll. Ganz still ist es. Über mir,  gar nicht hoch, kreist ein Raubvogel. Ein Reh springt über den Weg. Das dritte bisher auf der gesamten Tour.

Oben am Isaak liegt der „Generalsblick“. Hierher führten DDR-Grenzoffiziere ausländische Militärs hin, um ihnen die „perfekte Grenze“ zu zeigen. Heute habe ich einen wunderbaren Ausblick über die Bäume bis nach Sonneberg.

Dann geht’s weiter hoch bis zur Straße. Und dann kommen die Bremsen (pfälzisch). Nichts hält sie ab. Obwohl ich mit Mückenspray eingerieben bin, finden Sie immer noch einen Platz zum Zustechen.
Ich verlasse fluchtartig den Platz und laufe auf der gegenüberliegenden Seite Kolonne weiter. Am Waldrand jetzt rechts Felder, Birken säumen den Weg, dann geht’s wieder rein in den Wald, immer schön auf einer Höhe – und dann ist der Weg weg. Ich erahne noch, wo es lang gehen könnte, merke aber, dass alles keinen Zweck hat. Einen kleinen Pfad gehe ich ein paar Meter ins Dickicht, gebe aber auch das bald auf. Auf den Infotafeln am Wegrand, wird immer wieder vor Minen gewarnt, die möglicherweise noch im Boden liegen. Da habe ich viel zu sehr Schiss.
Also Kehrtwende und alles wieder zurück, die Straße erst runter nach Effelder und wieder hoch nach Rückerswind. In Effelder bestätigt man mir, dass ich durchaus richtig war. Und Minen gibt’s hier nicht mehr. „Wir gehen dort oben ja auch in die Pilze und in die Beeren!“
Dann ist es aber ein schöner Weg ins Tal der Effelder, weiter durch den Talgrund bis zum Froschgrundstausee, der von der gigantischen ICE-Brücke der Strecke Nürnberg – Berlin überspannt wird. Und: In einem Restaurant am See gibt’s gutes Essen.

In Weißenbrunn hoch über dem Stausee tut mir der Wasserfall nicht den Gefallen: Es gibt kein schönes Foto, weil das Wasser fehlt. Also auf nach Almerswind und dann noch mal 2,5 Kilometer bis Schalkau. Das erste Mal spüre ich die gelaufenen Kilometer. Es war ein sehr heißer Tag. Und durch den Umweg habe ich zwar 29 Kilometer, aber keine „Strecke gemacht“.

Ärmla, Beela, Wanstla – im Puppenmacherland

Da meine Etappe am Dienstag schon früh in Neustadt bei Coburg endet, habe ich viel Zeit für das hübsche kleine Städtchen, seinen Marktplatz, die Cafés und vor allem für das Spielzeugmuseum.
Zwei sehr freundliche Damen im Café haben mir den Tipp gegeben: Das Museum in Sonneberg sei zwar älter und grösser, aber das von Neustadt sei auch sehr, sehr schön. Sie selbst seien allerdings noch nicht dort gewesen, sagt die eine der beiden Damen. Von ihnen erfahre ich übrigens auch, wie man nach Meilschnitz kommt, wie die Nummer des Taxis ist, in welcher Gastwirtschaft es das beste fränkische Essen gibt, und dass die Neustädter früher alle für und von dem Puppenmachen gelebt hatten. „Viele als Heimarbeiter oder als Kleingewerbetreibende. Aber meistens haben sie ja Einzelteile für die großen Betriebe hergestellt: Ärmla, Beela, Wanstla.“

Das Museum ist wirklich toll. Man erfährt sehr anschaulich vieles über die Puppenmacherei seit dem 18. Jahrhundert, es gibt eine beeindruckende Sammlung von Trachtenpuppen aus aller Welt. Diese Sammlung legte den Grundstein für das Museum. Und es gibt auch eine moderne Puppenkunstausstellung (Hanne würde sich freuen, sie zu sehen – und was zu kaufen!)

Mein Höhepunkt war aber die Kinderabteilung im Untergeschoss: Riesengroße Glasvitrinen, eigentlich Puppenbühnen hinter Glas. Darin dreidimensionale Wimmelbilder mit Puppen. Von Dornröschen, von einem Zoo oder von Wilhelm Buschs „Max und Moritz“. Am allerschönsten sind aber die Vitrinen, die die verschiedenen Berufsbilder innerhalb des Puppenmacherhandwerks zeigen: Der Bossierer, der Drücker, der Puppenstopfer, der Puppenkopfmaler, der Augeneinsetzer, der Puppenfriseur…..
Ich bin immer noch ganz fasziniert, während ich in der Gastwirtschaft Eckstein sitze, einen Frankenwein trinke, eine ganz frische Forelle esse und die Aussicht auf den Neustädter Marktplatz genieße. Prost!

Der Kolonnenweg

10 Tage sind wir nun zu einem großen Teil auf dem Kolonnenweg gewandert. Langweilig? Immer gleich? Mitnichten. Zwar ist der Aufbau meist identisch. Links und rechts ausgelegte Betonplatten mit Lochmuster, sehr verwitterungsbeständig. In der Mitte ein freigelassene Streifen Bodengrund – nicht immer gleich breit. Grenzfahrzeuge konnten – sogar mit einer Art Militär-T rabi – jeden Punkt der Grenze erreichen.
Heute, Jahrzehnte später, zeigt sich dieser „Wanderweg“ vielfältig.
Es gibt quergelegte Lochplatten, und es gibt hochgelegte. Die quergelegten sind zum Wandern besser.


Manchmal gibt es Betonplatten, die keine Muster haben, sondern nur am oberen und unteren Ende zwei quadratische Löcher. An Kurven gibt es – sehr selten – Betonplatten ohne jegliches Loch.
Viel interessanter ist aber das Verhalten des Untergrundes und der die Platten umgebenden Natur: Manchmal ist das Betonlochmuster von den Grassoden voll ausgefüllt. Dann geht es sich federnd leicht. Manchmal sind die Löcher ausgefüllt mit allen Arten von Wildkräutern und Pflanzen: Klee, blühende Pflanzen, Wildrosen. Das sieht sehr schön aus, verleitet zum Fotografieren, ist für das Wandern aber ungeeignet. Noch ungeeigneter sind tiefe Löcher, die gar nicht ausgefüllt sind. Das ist dann die Rache des DDR-Systems am Wanderer! Hier hilft nur äußerste Konzentration.


Die Lochmuster sind das eine, die unbetonierte Mitte ist ein anderes: Manchmal sind sie – von z.B. Schafen sehr gepflegt – dann kann man „durch die Mitte“ gehen. Manchmal wachsen Gras, Johanniskraut, Schafgarbe fast meterhoch – dann geht in der Mitte gar nichts .

Manchmal führt der Kolonnenweg durch Wald, wie an den Saaleschleifen, dann gehen wir in der Mitte auf federnden Waldboden. Und manchmal ist der Kolonnenweg einfach überwuchert – wie im Auenwald bei Neustadt. Dann ist man auf spannender Spurensuche.
Nein, der Kolonnenweg ist nicht eintönig. Er ist mit ordentlichem Schuhwerk auch keine Stolperfalle. Er ist einfach ein Weg der Konzentration auf das Wesentliche von Vergangenheit und Gegenwart.

Von Spechtsbrunn bis Kronach

 

Es ist früher Sonntagmorgen, als wir von Spechtsbrunn aus über einen Wiesenweg hinauf zum Waldrand steigen. Dort finden wir bald wieder den Kolonnenweg. Und wir finden die Hinweisschilder über junge Menschen, die bei Fluchtversuchen erschossen worden sind. Hier waren es drei Menschen, vor Spechtsbrunn zwei. Abends sagte mir ein Besucher in der Gastwirtschaft: Hier ist nichts passiert. Nur einer ist mal erschossen worden. Das ist alles in Berlin gewesen.“
Wie sehr hatte Hubert, mein Mann, sich immer aufgeregt, als „seine“ Benneckensteiner im Harzer ehemaligen Sperrgebiet von nichts mehr wussten: Weder von Juden, die im Nationalsozialismus in den Selbstmord getrieben wurden, noch über die Toten der innerdeutschen Grenze.
Trotzdem: Über einen wunderschönen Weg kommen wir zum Wildberghof, gegründet in den 1970ern von Frankfurter Kommunarden. Zwei von Ihnen leiten heute noch den Hof, wo man auch übernachten und sonntags Kaffee trinken kann.
Aber zu dieser Uhrzeit? Vor 10:00 Uhr?
Klar doch, Kaffee geht immer. Zusammen mit einer Unterhaltung der „alten“ Kommunarden, über die Trockenheit und ihre Konsequenzen für die Landwirtschaft.
Nach der Kaffee-Stärkung geht’s über Wald und Wiesen nach Sattelpass und Neuenbau. Dort, auf dem Hammerberg ließ dass DDR-Regime eine „Führungsstelle“ für den gesamten Grenzabschnitt einrichten. Die Sattelpasser hatten es schwer: Wenn in Neuenbau Tanz war, mussten die Sattelpasser um 22:00 Uhr zuhause sein.

Dabei war das früher ganz anders: Die über den Sattelpass verlaufende Straße war seit dem späten Mittelalters Geleitstrasse, auf der Reisenden Schutz und Schild gewährt worden war. Sie war die Verbindungsstrasse zwischen Maintal und oberen Saaletal, zwischen Nürnberg und Leipzig. Martin Luther war wohl der bekannteste Reisende dort.

Dann wandern wir runter ins Tal der Tettau. Ganz lang durch den Frankenwald. Ganz weit runter. So weit, dass wir uns etwas verlaufen. Was nicht schlimm ist. Weil wir direkt an einer Gasstätte rauskommen: Klöße mit Sauce, Thüringer Würste: ein Gedicht!
Der Weg entlang der Tettau – linkerhand ein sehr steiler Frankenwaldsteilhang, rechts die Tettau mit einer zugewachsenen Bahntrasse – führt mal wieder durch eine tolle Landschaft – leider auf dem Fahrradweg. Was es für Wandrerinnen nicht einfach macht.
Es geht bis Heinersdorf, einem zweiten Mödlareuth – mit Mauer.
Wir (müssen) noch weiter zum Bahnhof nach Pressig.

Von wo aus wir nach Kronach fahren. In die Cranach-Stadt. Mit ihren wunderbaren alten Häusern. Wo wir im alten Flossherrenhaus übernachten. Und im Brauhaus gut essen und trinken. Und auf unsere wunderbare Gastgeberin des Ruhetages am Montag treffen. Wir fühlen uns wohl im Frankenwald!

Nachdenkliches

„Mit welchen Erwartungen seid Ihr denn hier hergekommen?!“ Eine, deren Heimat der Frankenwald ist, ist nicht sehr erfreut über den letzten Blog, in dem es um geschlossene Gasthäuser ging. „Hier in dieser Region entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze war 50 Jahre nichts. Hier gab es vielleicht in den Dörfern ein Wirtshaus, in das die Männer abends ein Bier trinken gingen.“ Wir könnten diese Region am Grünen Band nicht mit Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz vergleichen. Hier sei nicht viel gewesen – außer der wunderbaren Landschaft.
Tatsächlich bin ich sehr nachdenklich geworden. Hat sich da etwa so eine etwas arrogant-oberflächliche Sichtweise eingeschlichen, dass es im Frankenwald doch – bitte schön – an jeder Wegzweigung eine urige Waldgaststätte zu geben habe?
„Freut Euch doch stattdessen, wenn ihr auf eine Gaststätte trefft, statt nur zu kritisieren, wenn eine geschlossen ist.“ Diesen Ratschlag werde ich in Zukunft beachten. Versprochen.
Und das fällt ja nicht schwer bei dieser wunderbaren Landschaft mit seinen dunkelbewaldeten Berghügeln, den Bächen, Wiesen und Feldern, wo der Wanderer oder die Wandrerin allein auf weiter Flur ist, wo man die Vögel noch singen hört und die Schmetterlinge nicht vereinzelt, sondern hundertfach am Wegrand flattern.

„Zonenrandgebiet“

Vom Sperrgebiet zum Wanderparadies: Zwischen Ludwigsstadt und Probstzella.

Die Frau aus der Touristik-Information in Ludwigsstadt, bei der wir uns nach dem Wanderweg nach Probstzella erkundigen, ist sehr, sehr stolz auf ihre guten und prämierten Wanderwege.
Das sei nicht immer so gewesen. Als die Gegend hier noch „Zonenrandgebiet“ gewesen sei habe man sich vor Touristen nicht retten können. Grenztouristen. Zum Beispiel zur Thüringer Warte oberhalb von Lauenstein. Alle Häuser seien voll gewesen. Nach der Wende habe man gedacht, es gehe alles so weiter. Vor 10 Jahren sei klar geworden, dass man die neue Zeit verschlafen habe. Keine Touristen mehr. Keine Einnahmen. Deshalb setze man jetzt verstärkt auf Wandertourismus. Qualitätsgeprüft. Stimmt – das Wandern hier lohnt sich.

Eine Perle der Bauhaus-Architektur und ein Unternehmer, der alle Muster sprengt

Das “Haus des Volkes“ ist ein Meisterwerk des Bauhaus-Architekten Alfred Arndt. Eines seiner frühen Bauten. Es ist nicht nur das Wahrzeichen von Probstzella, es dominiert den kleinen Schieferort im ehemaligen Sperrgebiet.
Eigentlich war das gewaltige Bauwerk schon reif für die Abrissbirne, doch dann fanden sich drei im positiven Sinne „Verrückte“, die es Anfang der Jahrtausendwende von der Treuhand ersteigerten und versuchen, es wieder als Hotel, Kultur- und Bildungshaus zu etablieren. Ein Wahnsinnsunterfangen!
Allein der große Veranstaltungsraum fasste einmal 1.000 Plätze. Die Deckenkonstruktion dieser „Kathedrale des Volkes“ – wie sie in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts genannt wurde – wurde leider in der DDR-Zeit verschandelt.

Der Rote Saal bietet Platz für 1.000 Menschen. Leider wurde die Deckenkonstrukton verschandelt.

Erbauen ließ das Haus der thüringische Industriepionier Franz Itting. Als Jugendlicher wollte er mit seinem Freund nach Amerika, um „den unterdrückten Indianern“ zu helfen, als Industrieller führte er in seinem Elektrizitätsunternehmen in der Weimarer Republik die 40-Stunden-Woche ein, förderte die Mitgliedschaft in Gewerkschaften, schloss Lebensversicherungen für seine Arbeiter ab…
Das Haus des Volkes sollte den Menschen dieser ärmlichen Gegend Bildung, aber auch Entspannung und Erholung bringen. Der Aufbruch in eine neue Zeit mit den Formen moderner Architektur. Das Konzept ging auf. Zu den Veranstaltungen im „Haus des Volkes“ strömten die Massen. Bis die Nazis kamen.
Itting war Sozialist, war in der Region politisch aktiv und wurde von den Nazis als „Bonze“ und „Volksschädling“ beschimpft, in Schutzhaft genommen, verfolgt. Nach dem Krieg haben ihn die Kommunisten als „feindliches und entartetes Element“ verfolgt, inhaftiert, verurteilt. Aber Itting fing im Westen ein drittes Mal an und blieb bis zu seinem Tod mit über 90 Jahren der Überzeugung treu, „dass sich die Menschheit ein Paradies schaffen könnte“.
Im „Haus des Volkes“ gibt es eine gut konzipierte Ausstellung über das Leben dieses Mannes, der in keine deutsche Norm“ (Roman Grafe) passt. Roman Grafe hat ihm mit dem Buch und Dokumentarfilm „Mehr Licht“ ein Denkmal gesetzt.
Es ist ein Erlebnis, in diesem Bauhaus-Hotel zu übernachten. Würde es in Berlin stehen, wäre es auf Jahre hinaus ausgebucht. Aber es steht am Grünen Band – im „wilden Deutschland“.

 

Frühstücksraum des Hotels und bereits Teil des Museums.

Von Ullitz nach Mödlareuth

 

Eine Schafherde pflegt das Grüne Band

Pünktlich morgens um 8:00 Uhr fährt uns unsere Schlossherrin zum Startpunkt der heutigen Etappe: Ullitz, ein Weiler, der ehemals Grenzübergang mit Schlagbaum war. Bei herrlichem Sonnenschein wandern wir durchs „Himmelreich“ am Grünen Band, Feuchtwiesen und kleine Waldstücke, alle Arten von Schmetterlingen. Aber im Paradies gibt es auch verbiesterte Teufelchen: Bremsen und Schnaken, die sich bei diesen feucht-warmen Temperaturen anscheinend sehr wohl fühlen. Selbst Mückenspray für die Tropen ist zwecklos.
Und dann wird das Grüne Band plötzlich durch die A 72 zerschnitten. Wir müssen den Kolonnenweg verlassen, um nicht „unter die Räder zu kommen“, und über einen Wiesenweg bis zu einer Unterführung gehen. Vor uns die Kapelle St. Clara von Heinersgrün.

Kein Weiterkommen: Grenze Autobahn

Dann braucht es doch schon einigen Orientierungssinn, um wieder aufs Grüne Band zu gelangen. Es gelingt dank des Bauchgefühls und der Kartenlesekunst meiner Freundin. Immer noch ist uns keine Menschenseele begegnet. Dabei ist es doch eine ideale Wandergegend. Teiche, Schilf, ein blühendes Meer von Heilzist – und aus weiter Entfernung beobachten uns ein paar Rehe.


Abwechslung bieten wir auch einer Herde Schafe. Sie gehören zum Schäfer Michael Ulsamer, der mit ihnen das Grüne Band Sachsen freihält.
Überhaupt ist das ganze sächsische Grüne Band erstklassig gepflegt. Hut ab vor so viel Engagement!
Es ist mittlerweile sehr heiß geworden. Langsam verändert sich die Landschaft: Weite Getreidefelder und Windräder. Wir kommen zum Drei-Freistaaten-Stein. (Diese Wort kann man nur in ganz nüchternem Zustand aussprechen.)
Hier einigten sich 1840 die Königreiche Bayern und Sachsen sowie das Herzogtum Reuss auf einen Grenzverlauf. Die drei Freistaaten sind Thüringen, Sachsen und Bayern. Die Grenzen waren Verwaltungsgrenzen. Für die Menschen, die hier lebten, spielten sie keine Rolle. Bis nach dem Krieg.


An der Grenzmarkierung verlassen wir Sachsen, um in Thüringen weiter zu gehen. Allerdings fehlt hier das Grüne Band.
Es sind schweißtreibende Kilometer nach Mödlareuth am Thannbach, jenes Dorf, in dem sich die innerdeutsche Teilung so eindrücklich manifestiert hat. Die Mauer ging durch ein Dorf. Im Mikrokosmos wirkt alles noch beklemmender. „Klein-Berlin“ wurde der Ort genannt, dessen eine Hälfte in der amerikanischen Besatzungszone lag (Bayern) die andere in der russischen (Thüringen). Wie gesagt, diese Grenzen störten jahrhundertelang keinen Menschen…


Wir laufen die Straße bergab nach Mödlareuth und essen dort im „ Grenzgänger“-Gasthof (ehemals Osten) selbstgemachten Kuchen. Er ist ebenso wie der Kaffee ein Genuss.
Auf einen Anruf im Festnetz hin – Mödlaruth ist ein „Tal der Ahnungslosen“  fürs mobile Netz  – werden wir von einer Frau aus dem benachbarten Töpen (Bayern) abgeholt und zu unserem reservierten Hotel gebracht.
Leider gibt’s hier – wie gestern – auch nur Kleinigkeiten zu essen. Wir entscheiden uns, nochmal 2 Kilometer zurück nach Töpen zu einem Italiener zu laufen (leichtes Training zum Auslaufen!). 27 Kilometer sind dann aber genug für heute. Die nette Bedienung fährt uns nach Pizza, Penne, Pino Grigio und Grappa, ins Hotel zurück.
In der Nacht gibt’s einen Witterungsumschwung. 20 Grad weniger und Regen!

« Ältere Beiträge Neuere Beiträge »

© 2024 Wolkenfolgen

Theme von Anders NorénHoch ↑