Reisen

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Die Route

Nach den ersten Tagen bei einer Freundin in Kampala – vielleicht klappt es ja, dass wir in dieser Zeit auch einen Ausflug nach Jinja unternehmen – geht die Rundreise los. Die erste Übernachtung ist im Ziwa Rhino Sanctuary, einem Schutzgebiet zur Wiedereinführung und Zucht des in Uganda in den 70er Jahren völlig ausgerotteten Breitmaulnashorns. Mehrere Tage wollen wir danach im Murchison Falls National Park bleiben. Für Kineasten: Dort wurde am Weißen Nil und am Albert-See „African Queen“ mit Katharine Hupburn und Humphrey Bogart gedreht.

Zwei lange Fahrten auf der Piste führen uns über den Bugoma Forest zum Kibale Forest Nationalpark. Schimpansen-Tracking steht auf dem Programm.

Der Queen Elisabeth Park, unser nächstes Reiseziel, liegt am Äquator. Wir sind sowohl im nördlichen als auch im südlichen Teil, dem Ishasha-Sektor und freuen uns auf Begegnungen mit hoffentlichen vielen afrikanischen Wildtieren.

Dann folgt ein Höhepunkt unserer Rundreise: Das Gorilla-Tracking im Bwindi Impenetrable Nationalpark.

Nach zwei Erholungstage am Lake Mburo geht unserer Rundreise in Kampala zu Ende.

Uganda – wieso denn dorthin?

Der Kronenkranich ist das Wappentier Ugandas. Diese beiden Prachtexemplare habe ich im Lake-Mburo-Park aufgenommen.

Es gibt gewiss nicht so viele Frauen, die die 60 überschritten haben und eine Reise nach Uganda ganz oben auf Ihrer Bucket List stehen haben. Und das noch allein, ohne Reisegruppe und Betreuung durch eine kundigen Führer.

Wir – Beate und ich – wagen es. Ein wenig verrückt muss man für so eine Reise sein. Und eine „Andockstation“ haben, wie z.B. eine Freundin, die in Kampala arbeitet. Und ein kleines Reisebüro in Uganda, mit dem zusammen wir im Vorfeld alles geplant haben. Und Neugierde gehört dazu auf ein uns so fremdes Land in diesem riesigen Kontinent Afrika.

Ich bin sehr gespannt auf die „Perle Afrikas“ ( Churchill) am Äquator, von der ich nicht viel weiß. Ich assoziiere immer noch zuerst die Terrorherrschaft von Idi Amin und seinem Nachfolger Obote. Das ist Vergangenheit, ebenso wie die Kolonialherrschaft Englands im „britischen Protektorat“. Ich weiß, dass der jetzige Staatschef Yoweri Museveni mit Unterstützung tansanischer Gruppen das Land von der Schreckensherrschaft befreite, dass er einen Demokratisierungsprozess einleitete, aber jetzt die Gefahr besteht, dass er sich in die Reihe der „alten Herrscher Afrikas“ einreiht, die nicht von der Macht lassen können: Korruption, Polizeigewalt, Verfolgung von Schwulen und Lesben.

Gelesen habe ich vom Bürgerkrieg zwischen der Lord’s Resistance Army (LRA) und der ugandischen Armee (1987-2006) im Norden des Landes, den Kindersoldaten, den zehntausenden Toten, der Zerstörung und dem jetzt langsam voranschreitenden Wiederaufbau und der Aufarbeitung der Vergangenheit. Übrigens: Wir werden nicht im Norden unterwegs sein, trotz guter Sicherheitslage.

Ich habe aber immer auch wieder Uganda-Reisende von der Freundlichkeit der Bewohner*innen schärmen hören, von der Vielfalt und Schönheit des Landes, vom Tierreichtum – und natürlich von faszinierenden Begegnungen mit den Gorillas.

Ich bin also gespannt. Wir starten heute abend.

Unsere Route folgt im nächsten Blog.

 

Lebensfeindliche Schönheit

Die Mauer aus „Game of Thrones“ – nur nicht aus Eis und nicht von Menschenhand erstellt, sondern von Wind und Wetter.

Der Vormittag in über 4000 Meter Höhe war anstrengend. Der Nachmittag sollte ein ebenso anstrengendes Highlight werden.
Wir sind in der Salzkordillere, ein paar Kilometer von San Pedro, im Valle de la Luna. Eine Karstlandschaft, die entstanden ist, nachdem sich vor Millionen von Jahren die Schichten eines ehemaligen Salzsees gehoben hatten und erodiert sind. Wadis, Erdpyramiden, Sanddünen, Kämme, Dolinen bilden Kunstwerke wie sie nur die Natur schaffen kann. Ich kann mich nicht sattsehen. Abends ist der Akku der Kamera leer.

Aber: Hier gibt es außer Touristen, Guides und Angestellten des Parks kein Leben. Früher allerdings schufteten Menschen in dieser Wüste, die Salz abbauten. Unmenschlich!

Nichts kann überleben in dieser salzhaltigen Erde, in dieser Landschaft, in der es vielleicht einmal im Jahr regnet. Keine Pflanzen, keine Tiere. Selbst in der Namib ist mehr Leben.

Eingang zu einem Höhlengang. Bei einem der seltenen Regenfälle füllt sich der Gang mit Wasser.

Und wir wandern in dieser lebensfeindlichen und gleichzeitig faszinierend schönen Landschaft zusammen mit einer internationalen Gruppe junger Leute. Wir steigen durch tiefen Sand Kämme hoch, kriechen mit Taschenlampen durch Höhlengänge, klettern, kommen ins Schwitzen – aber wir halten gut mit. Es macht Spaß!
Der angekündigte Sonnenuntergang fällt auf diesem Breitengrad kurz aus. Die Sonne fällt einfach runter. Beeindruckend ist vor allem die Menge der Menschen, die sich auf den natürlichen Aussichtsplattformen versammelt hat.

Bei den Geysiren im Krater

Es gurgelt und zischt, brodelt und dampft aus der Erde. Die Morgendämmerung taucht die Landschaft in ein sepiafarbenes Licht. Die Luft ist kalt und klar. Denkt man sich die Touristen weg, könnte es der Eingang zu Dantes Inferno sein. Wir sind auf 4.230 Meter Höhe im Krater der Tatio Geysire. El Tatio kommt aus der Quetscha-Sprache und heißt „der Mann, der weint“. Tatsächlich weint er viele Tränen aus vielen Augen: Geysire spucken in die Höhe, Schlammlöcher brodeln, Fumarole stossen giftig gelben Dampf aus, den ganzen Krater durchziehen kleine Rinnsale.

Um dieses Naturereignis zu erleben, müssen wir um 4 Uhr in der Nacht losfahren. Denn am frühen Morgen, wenn es noch unter 0 Grad ist, ist das Spektakel am stärksten. Der Bus eines Tourveranstalters holt uns an unserer Lodge ab. Die Strasse geht steil in Serpentinen nach oben und vielleicht ist es ganz gut, dass es dunkel ist. Manchmal werfe ich einen Blick aus dem Fenster. Der Weg ähnelt teilweise der Strasse hoch nach La Paz, der gefährlichsten Route der Welt. Gott sei Dank haben wir keinen Gegenverkehr. Dafür sind wir aber nicht allein unterwegs. Wie eine Karawane ziehen kleinere und grössere Tourbusse, Pickups, Range Rovers und Limousinen den Berg hinauf. Fast schon oben, stoppt der Verkehr. Ein auf dem Dach liegendes Auto, das sich überschlagen hat. Alle nachkommenden Autos fahren seitlich an der Unfallstelle vorbei. Wie wir später am Tag hören, sind die Insassen unbeschadet davon gekommen.
Auf der Höhe geht es auf einer Wellblechpiste weiter. Ich denke wieder einmal an Afrika. Mit Hubert bin ich manchmal stundenlang auf diesen ungeteerten Ruckelstrassen unterwegs gewesen.
Im Krater muss ich mich erst an die vielen Menschen gewöhnen, die in dicken Winterjacken, Mützen und Handschuhen auf den vorgegebenen Wegen des Naturparks unterwegs sind. Alles ist hier streng geregelt. Es gab wohl schon einige Unfälle mit schweren Verbrennungen.
Nicht verbrannt hat sich meine Schwägerin, die in ein grosses Naturbecken mit dem warmen Wasser aus der Tiefe steigt. Ich kann mich nicht dazu entschließen und laufe noch ein wenig, vorbei an Schlammlöchern und Geysiren. Auf welch dünner Kruste wir uns doch bewegen!

Die Fahrt weiter führt durch Sand- und Steinwüste. Riesige rote Steine, manchmal wild „übereinander gestapelt“, erinnern an den Sinai.
Aus dem Bus sichten wir einen Wüstenfuchs. Vincunas und Flamingos suchen in kleinen Lagunen Futter. Was wir zuerst als Möwen identifizieren (und uns natürlich wundern) ist tatsächlich die in den Anden lebende Gaviota Andina, die es nur noch in einer sehr kleinen Population gibt.

Viel Leben also in diesem Teil der Wüste. Am Nachmittag werden wir eine andere Einöde kennenlernen.

Auf der Suche nach den Ursprüngen

ALMA – ein magisches Wort für jeden Astronom oder Physiker. Die europäische Südsternwarte (ESO) betreibt in der Atacama bei San Pedro mit internationalen Partnern das Atacama Large Millimeter Array (ALMA). 66 Präzisionsantennen mit einem Durchmesser von bis zu 12 Metern sind zu einem riesigen „Auge“ zusammengeschlossen. Dieses Teleskop kann noch die schwächsten Lichtwellen im „kalten Universum“ auffangen, – also dort, wo eigentlich alles dunkel und leer erscheint, im Raum „zwischen den Sternen“.

Das ist jedenfalls, was ich verstanden habe. Wer sich dafür interessiert, dem empfehle ich die verständliche Website über ALMA: https://www.eso.org/public/germany/teles-instr/alma/

Nur in der klarsten und trockensten Luft der Welt, in der Atacama-Wüste auf dem Chajnantor-Plateau in 5000 m Höhe, kann das Teleskop seine volle Wirkung entfalten.
Der Besuch dort ist ein Traum meines Schwagers, selbst Physiker.
Bereits früh hatten wir in Deutschland versucht, eine Besichtigungstour zu buchen – ein vergebliches Unterfangen, denn die Plätze waren bis Ende März bereits ausgebucht (ALMA ist für Besucher nur am Wochenende geöffnet).
Meine Nichte in Santiago versuchte es über Freunde von Freunden – aber auch dies schien nicht zu klappen. Und so hatten wir uns schon damit abgefunden, dass es nichts werden würde.
Dann am Abend vor unserem Abflug nach San Pedro kam ein Anruf: Wir dürfen! Wir müssten uns lediglich ein Auto besorgen, um hoch zu fahren.
Leicht gesagt, schwer umgesetzt, wenn man am Samstagabend in San Pedro ankommt. Aber dank meiner spanisch sprechenden und hartnäckigen Schwägerin stand am nächsten Morgen ein Jeep mit Fahrer vor unserer Lodge – auch wieder privat auf Umwegen über die netten Menschen in unserer Vincuna-Lode.

Die Sicherheitsvorrichtungen bei ALMA sind streng, aber wir waren ja bereits angekündigt. Und so kamen wir in den Genuss einer Privatführung durch einen überaus liebenswürdigen jungen Wissenschaftler, der voll Leidenschaft dieses einmalige Projekt erklärte. Wir durften in die Laboratorien, sahen den riesigen Transporter, mit dem die Antennen an unterschiedliche Standorte geschafft werden können, wir sahen das Innere eines Receivers in einem Wartungsraum und eine der Antennenschüsseln.

Natürlich habe ich wenig von allem verstanden. Und ich habe zum ersten Mal bereut, dass ich im Physikunterricht nicht bei der Sache war. Vielleicht hätte ich auch so einen Lehrer wie meinen Schwager gebraucht, der verständlich und bildhaft erklären kann.
Aber es fasziniert und erfüllt mich mit Bewunderung, was Menschen in der Lage sind zu schaffen, in welche Sphären sie vordringen können, weil sie dem Ursprung des Universums auf die Spur kommen wollen. Wie es gelingen kann die Geburt von Sternen zu beobachten, ferne Galaxien am Rande des sichtbaren Universums zu sehen und Lichtwellen dann in „Bilder“ umzuwandeln, die für mich als Laie magische Kunstobjekte sind.
Der Besuch von ALMA war jede Anstrengung im Vorfeld wert.

Identitäten

Auf dem Plaza de Armes in Santiago stehen zwei Monumente: ein Reiterdenkmal Pedro de Valdivias und eines neueren Datums von 1990 für die indigene Bevölkerung. Das ist so widersprüchlich. Valdivia, Konquisitator, der als Gründer Santiagos gilt, hat die ursprünglichen Bewohner unterworfen, Tausende ermorden lassen, und Ungezählte zum Frondienst gezwungen.
Die indigene Bevölkerung – die Mapuche, Ajmara, Atacemenos und eine Vielzahl weiterer Ethnien – ist im Laufe der kriegerischen Auseinandersetzungen auch in späteren Jahren immer weiter dezimiert worden. Es ist nur ein erster Eindruck, aber ich habe nicht das Gefühl, dass sich die Chilenen sehr mit den Menschen, die das Land ursprünglich besiedelten, identifizieren. Natürlich schätzen sie die jahrhundertealte Kultur der indigenen Bevölkerung, im Vordergrund aber steht wohl eher das europäisch-spanische Erbe.
Nach Valdivia ist übrigens auch eine Metro-Station benannt…

Monument für die Indigene Bevölkerung auf dem Plaza de Armas
Selbstbewusst, europäisch, intellektuell: Gemälde im Historischen Museum in Santiago

Santiago

Es ist das Santiago der Gutsituierten, das wir in den ersten Tagen kennenlernen. Hier im Viertel Las Condas spiegeln sich die Hochhäuser in den Glasfassaden der Wolkenkratzer gegenüber, sind die Rasen frischgrün, werden die Strassen ständig gekehrt, stehen Elektoroller zum Verleih, spielen Kinder mit ihren gut angezogenen Müttern (und manchmal auch Vätern) auf Spielplätzen, laufen junge Männer in weißen Hemden geschäftig mit dem Handy am Ohr auf blitzblanken Bürgersteigen.
Der Verkehr hält sich in Grenzen, denn es sind Sommerferien und wer kann, fährt hinaus aus der Stadt, die in einem Kessel auf 500 Meter Höhe liegt, umgeben von den Gipfeln der Anden, dem Küstengebirge und Hügeln im Norden und Süden. Oft ist der Smog so dicht, dass man die 6.000er nicht mehr sieht. Klar, dass die Luftverschmutzung eines der großen Probleme in Santiago ist.
Heute ist der Himmel strahlend blau, manchmal geht sogar eine frische Brise. Wir fahren mit der Metro (hypermodern) vom Botschaftsviertel ins Regierungsviertel, das Zentrum von Santiago. Hier mischen sich die Architekturstile, ein Querschnitt durch die Jahrhunderte: die neoklassizistische Moneda, einstmals Münze, dann Präsidentensitz, den Pinochet 1973 bombardierte und indem sich Salvadore Allende erschoss, als er keinen anderen Ausweg mehr sah. Da sind die großbürgerlichen Häuser aus der Zeit der Salpeterbarone, die Patios, die prächtigen Jugendstilgebäude. Ministerien, Hauptpost, Verwaltungsgebäude. Vor allem aber immer wieder Einkaufspassagen – alte aus der Zeit des Artdeco und neue Malls. Chilenen scheinen gern einzukaufen (wenn sie das nötige Geld dazu haben). Wir trinken Kaffee am Plaza de Armas, wo sich das Leben abspielt, schauen dem ständigen Strom der Menschen zu, die über den Platz laufen., wo Luftballonverkäufer ihre bunten Ware und Strassenmmaler ihre Künste anbieten. Hier trifft man sich, isst Eis, spielt Schach…

Im Museo Historico National betreiben wir ein wenig chilenische Geschichtskunde. Leider endet der Rundgang mit dem Putsch Pinochets. Ein Museum zur jüngsten Vergangenheitsbewältigung liegt in einem anderen Stadtteil Santiagos. Vielleicht klappt ein Besuch nach unserer Rückkehr aus der Atacama.
Wir schlendern durch die Strassenzüge rund um den Plaza des Armes, an den Zelten der Wahrsagerinnen vorbei, die heute ein gutes Geschäft machen, und landen irgendwann im Mercado Municipal, wo die Fischverkäufer langsam Feierabend machen und die Kellner der Restaurants mit ihren Rufen immer noch den einen oder anderen Gast anlocken wollen. Wir lassen uns verführen, essen relativ teuren, trocken gekochten Fisch, haben dafür aber einen tollen Blick über die gesamte Halle.

Eigentlich…

Eigentlich war es – in der Rückblende gesehen – ganz einfach. In der Situation selbst hat mich alles schwer genervt.
Dank eines Hinweises von Katharina, dass in Amsterdam am Abflugtag 160 Flüge gestrichen worden waren, war ich dann Dank Internet um 10 Uhr darüber informiert, dass ich anders fliege: Nicht über Amsterdam direkt nach Santiago, sondern über Sao Paulo, nicht mit KLM, sondern Latam, nicht mit meinen Mitreisenden, sondern allein. Dass dieser Flug wiederum statt wie geplant um 19:45 Uhr erst um 22 Uhr startete, ich den Anschlussflug von Sao Paulo nach Chile neu und später umbuchen musste, das hat dann doch heftige Kopfschmerzen verursacht und mich nicht mehr so wirklich an einen gelungenen Urlaubsstart glauben lassen.
Gut gemeinte Hinweise per Whatsap und Co, als jemand, der um die halbe Welt fliegt, müsse man sich mit so was abfinden (Sohn), ich solle was gutes essen und Sekt trinken (Tochter), habe ich nur die Idee mit dem Alkohol berücksichtigt (Bier statt Sekt) und den pragmatischen Vorschlag mit der Aspirin (Freundin).
Beides hast gewirkt – und spätestens, als ich die 6stündige Wartezeit in Frankfurt auf einer weichen Lederliege halb lesend, halb dösend hinter mich gebracht hatte und im Flieger nach Sao Pauli das beste Bordessen seit langem serviert bekam, ging es mir wieder gut.
Als sich dann zudem herausstellte, dass der Flughafen von Sao Paulo längst nicht so unübersichtlich und chaotisch ist wie vorgestellt, sondern im Gegenteil alles sehr besucherfreundlich konzipiert ist und jedermann/jedefrau sehr hilfsbereit ist, konnte ich auch die nächste Verspätung gut ertragen.
Nach rund 27 Stunden Reisezeit ab Mainz lande ich mit einem grossartigen Blick auf die schneebedeckten Gipfel der Anden in Santiago. Wieder langes Warten an der Passkontrolle. Und da sehe ich auch schon meinen Schwager, der nach mir Ausschau hält.

Kurz vor der Landung in Santiago

Grenzenlos wandern

Mein letzter Wandertag. Leider, denn eigentlich würde ich gerne noch einige Tage weiter laufen. Aber ich habe keine Wanderkarten mehr. Und nur die kleinen Kartenausschnitte im Wanderführer sind – wie sich herausgestellt hat – einfach nicht ausreichend.
Doch die letzten 22 Kilometer werden noch einmal sehr schön.
Von der ehemaligen Grenzübergangsstelle Rottenbach – Eisfeld wandere ich die Langen Berge hoch. Nein, es geht nicht sehr steil aufwärts. Das Maß aller Dinge war der Weg bei Meilschnitz, das „Alpe d’Huez“ des Kolonnenweg-Wanderers!
Heute laufe ich meistens durch Wiesen, Feldfluren, vorbei an Streuobstwiesen und Waldesrand. Es ist ein Hochsommertag.
Das Grüne Band ist hier sehr gepflegt, denke ich gerade, als ich in dieser absoluten Einsamkeit und Stille plötzlich Autogeräusche höre, die hinter mir immer näher kommen. Es ist Verena Volkmar vom Landschaftspflegeverband „Thüringer Grabfeld“ e.V. , der das Grüne Band in der Region pflegt schützt. Zusammen mit Landwirten, Schäfern und Schäferinnen erhält der Verein auf schonende Weise die Freifläche, bewahrt sie vor Verbuschung und bringt alle Betroffenen und Interessierte an einen Tisch, um sie in Planungs- und Umsetzungsprozesse einzubinden.
Verena Volkert kommt gerade von einer der Schäferinnen, die sie betreut. Jetzt will sie sich noch ein paar Stellen am Grünen Band anschauen. Man merkt sofort: Da ist jemand mit dem ganzen Herzen am Werk.

Ein paar Minuten später sehe ich rechts am Wegrand Kreuze. Hier, bei Harras, wurden 1975 zwei Grenzsoldaten von einem flüchtenden NVA-Angehörigen erschossen. Auch das ist passiert an dieser unmenschlichen Grenze.
Auf der Informationstafel werden die Grenzsicherungsanlagen detailliert beschrieben: „…Der Grenz- und Signalzaun stand unter Strom (ca. 60 Volt) und reagierte auf Berührung, welche auf 50 Meter genau lokalisiert werden konnte …“
Ich schaue mich um: Die Aussicht ist fantastisch. Diese Weite. Man schaut bis an den Horizont.
Was passiert mit Menschen, die jahrzehntelang eingeschlossen werden? Hier, wo es nur Natur und Landwirtschaft gab? Wie werden sie? Was treibt sie?
Mit festem Schritt laufe ich weiter. Grenzenlos wandern.
In Hetschbach verabschiede ich mich für dieses Jahr vom Kolonnenweg. 14 Tage war ich auf ihm unterwegs. Vergangenes Jahr bin ich in der Heimat gewandert.  Dieses Jahr in einem mir unbekannten, ja fremden Teil Deutschlands. Das war eine gute Idee, die ich irgendwann an der Ostsee zu Ende bringen möchte.

In Bad Rodach beende ich meine diesjährige Etappe am Grünen Band. Das hat auch etwas: Ich bin sozusagen von Kurbad zu Kurbad gegangen – von Bad Elster nach Bad Rodach.

Dort geblieben sind ein einzelner Socken in Blankenberg, mein schöner Strohhut irgendwo an der Saale, nutzloses Mückenspray in Schalkau, mein löchriges Trägershirt am Ziel in Bad Rodach,  Stress und die Hektik irgendwo auf dem Grünen Band.

Mitgebracht habe ich eine Unzahl von Bildern (im Kopf und auf dem Tablet), Erinnerungen an durchweg freundliche und hilfsbereite Menschen, die schon Auskunft geben wollen, bevor ich gefragt habe, oder die einen einfach so zum Kaffeetrinken einladen. Gelernt und erfahren habe ich vieles über die ehemalige innerdeutsche Grenze, was so niemand in einem Geschichtsbuch lernen kann.

Dafür ist mein Unverstädnis denjenigen gegenüber, die heute wieder Grenzen und Mauern errichten wollen, – ob in Europa oder in Amerika – noch einmal grösser geworden.

Klar ist mir mal wieder geworden, dass es Menschen gibt, die in Ruhehaltung ruhig werden, und solche, die durch Bewegung zur Ruhe kommen. Ich gehöre zur letzteren Gruppe.

Bis zur nächsten Wanderung.

Ich bin dann mal wieder da!

 

 

 

 

Das Parfum des Grünen Bandes

 

Ich weiss ja nicht, ob es daran liegt, dass ich seit 7 Wochen nicht mehr rauche, oder daran, dass in diesem relativ unberührten Teil Deutschlands manches intensiver riecht, oder dass die sommerliche Hitze verantwortlich war, oder alles zusammen – auf jeden Fall sind mir die Gerüche dieser Wanderung besonders hängen geblieben.

Sie duften gewissermaßen nach: die Felder von Kamilleblüten im Vogtland, der scharfe Gestank des Misthaufens bei Eisfeld, der Geruch von „glücklichen Kühen“ in Schalkau, der Wildgeruch in der Nähe einer Wildschweinkuhle im Frankenwald, der Duft von gemähten Gras in den Langen Bergen, von wildem Thymian bei Mödlareuth, von Schafen, Ziegen und Pferden überall am Grünen Band, von frisch gehauenem Holz am Rennsteig und, und, und…..

Schade, dass man das im Blog nicht weiter reichen kann.

 

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