Heute wird meine letzte Etappe auf dieser Tour sein. Das angekündigte Wetter für die nächsten Tage soll sehr regnerisch sein, weswegen es einfach auch gefährlich ist, die steilen Abstiege durch die „Eichsfelder Schweiz“ auf dem Plattenweg zu gehen.
Also genieße ich diesen vorläufig letzten Weg von Heldra über die „Mainzer Köpfe“, am Eichsfelder Kreuz vorbei hoch hinauf zum Hülfensberg mit dem Franziskanerkloster.
Warum der Bergrücken, auf den ich steige, „Mainzer Köpfe“ heißt, erschließt sich mir nur teilweise. Der Bezug zu Mainz ist klar: Ich betrete Eichsfelder Gebiet, das schon um das Jahr 1000 als ferne Exklave zum Herrschaftsbereich der Mainzer Erzbischöfe gehörte.
Aber die „Köpfe“? Maul Dreyer, Margit Sponheimer, Michael Ebling?
Auch aus der Form des Bergrückens kann ich kein mir bekanntes Profil erkennen.
Egal. Ich gehe also im wahrsten Sinne über die Köpfe meines Lebensmittelpunktes hinweg. Es geht ziemlich hoch und runter, an ehemaligen Beobachtungstürmen vorbei und einer „Agentenschleuse“. Durch das überdimensionierte Kanalrohr soll die ehemalige DDR ihre Agenten in den Westen geschleust haben. So recht kann ich daran nicht glauben. Da war mir doch der Agentenweg im Höllental an der Muschwitz plausibler.
Angeblich krochen damals die DDR-Agenten durch das Kanalrohr in den Westen. Wer´s glaubt…
Der Kolonnenweg ist hier wunderbar gepflegt, über weite Strecken sind die Löcher geschlossen, so dass eine große Gefahrenquelle wegfällt.
Es liegt daran, dass das Grüne Band gut in das Netz der Wanderwege der Region oder sogar der Fernwanderwege wie dem Lutherweg oder dem Werra-Burgen-Steig eingebunden ist.
Es ist wahrhaft eine tolle Wanderregion für diejenigen, die keine großen Knieprobleme haben.
Ich genieße den Weg, mit den blühenden Wiesen, den Schmetterlingen, den Wäldern mit Buchen, Eschen, Linden, Platanen……
Und natürlich mit den Aussichten – mal ins Werra-Tal, mal ins katholische Eichsfeld.
Bei Döringshausen, wo hinter dem Dorf die Grenze verlief, an der Strasse nach Wanfried, steht das Eichsfelder Kreuz.
Alle Eichsfelder sind sehr heimatverbunden. Und der Hülfensberg mit dem Kloster und den Wallfahrten war (ist?) ihnen heilig. Mit der zunehmenden Grenzsicherung flüchteten viele Thüringer Eichsfelder. Als dann auch die Wallfahrten nicht mehr möglich waren, weil der Hülfensberg Sperrbezirk war, errichteten Eichsfelder im Westen vor Döringshausen ein Kreuz, an dem nun die Wallfahrten stattfanden.
Das letzte Mal war ich wohl Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zu der Hochzeit eines guten Freundes meines Mannes in Wanfried. Natürlich musste mein Mann, geboren in Worbis im Eichsfeld, bis zur Grenze fahren, um einen Blick auf den Hülfensberg zu werfen.
Heute will ich oben im Kloster übernachten. Nach 20 Kilometer in den Beinen ist das noch einmal eine Herausforderung.
Aber ich schaffe es. Die drei verbliebenen Franziskanerbrüder empfangen mich freundlich und nehmen mich für einen Abend in ihre Gemeinschaft auf.
Dabei benehme ich mich zuerst einmal komplett daneben: Zwischen den Sohlen meiner Barfußschuhe hatte sich Erde festgesetzt. Den habe ich natürlich gleich in den Andachtsraum mitgeschleppt.
Da werden doch Erinnerungen an alte Zeiten im Internat der Franziskanerinnen wach. Nur kann ich heute drüber lachen!
Beim Abendessen erfahre ich, dass auch der Mainzer Bischof Kohlgraf bereits hier oben war und gepredigt hat.
Na dann…
Wirklich beeindruckt hat mich aber das romanische Kreuz in der Wallfahrtskirche.
Dabei ist es nur eins von dreien, die hier oben stehen. Daneben gibt es auf dem Berg noch das große, weithin sichtbare Kreuz des Hülfensbergs (mächtig, nach Osten gerichtet), und das Friedenskreuz zur Einheit (nach Westen gerichtet).
Es ist sehr friedlich hier. Nur fehlt mir ein wenig der Schwung, wenn die Brüder den Sonnegesang des Franziskus singen. Aber man kann ja nicht alles haben.
Am nächsten Morgen wandere ich runter nach Wanfried, wo ich den nächsten Bus nach Eisenach nehme.
Es ist grau und es regnet. Es war die richtige Entscheidung, hier aufzuhören. Und der Hülfensberg ist ein guter Abschluss einer Wandertour über 2 Wochen.
Die nächste Etappe geht hoffentlich vom Eichsfeld in den Harz.