
An diesem Grenzstreifen komme ich 2018 noch nicht vorbei: Bei Benneckenstein.
Zwei Personen haben den Anstoß zu dieser Wanderung gegeben: eine Freundin und Hubert: Als ich vergangenes Jahr bei einem Glas Rotwein von meiner Wanderung in die Pfalz erzählte, verschwand Christiane, um kurze Zeit später mit einer alten „Apotheken-Rundschau“ wieder zu kommen, auf der eine Fernwanderung beschrieben war: „Das Grüne Band“ – entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. 1.500 Kilometer von Bad Elster an der tschechischen Grenze bin nach Travemünde. Das wäre ein Traum von ihr, sagte Christiane, diese Strecke zu gehen. Ich war sofort elektrisiert von dem Paradoxon: auf dem ehemalige Todesstreifen mit seinen Sperranlagen, Grenzzäunen, Wachtürmen, der „Schutzzone“ und dem „Niemandsland“ hätten Flora und Fauna Schutz und Raum gefunden, die einmalig sein sollten. Das Wandern auf diesem „Grünen Band“ sei zwar auch heute, fast 30 Jahre nach dem Mauerfall, noch ein kleines Abenteuer, aber das schreckte mich erstmal nicht. Vor allem deswegen nicht, weil es einen ziemlich guten Wanderführer von Dr. Rainer Cornelius über die gesamte Strecke zu kaufen gibt. Cornelius unterstützt den Bund für Unwelt und Naturschutz Deutschland – BUND e.V. dabei, das „Grüne Band“ zu pflegen und auch für Wanderer zugänglich zu machen.
In Huberts großer „DDR-Bibliothek“ fand ich dann natürlich noch ein weiteres Buch über das Grüne Band, eine Beschreibung von Wolfgang Kieling: „Ein deutscher Wandersommer. 1.400 Kilometer durch unsere Wilde Heimat“. Nun war Hubert ein Fan vom Naturfilmer Kieling, der in dem Buch seine vom SWR gefilmte Wandertour beschreibt; mein „favorite author“ wird er aber nicht – und so habe ich sein Buch schnell wieder zur Seite gelegt.

Das war im Winter 1990 auf dem Brocken, kurz nach der Grenzöffnung.
Ein Glück war es, dass eine weitere Freundin, der ich von meinem Plan erzählte, Lust und Zeit hatte, im Sommer 2018 einen Teil des Weges mit mir zu gehen.
Nein, natürlich nicht 1.400 Kilometer – das erlaubt meine Arbeit nicht – aber eine erste Etappe vom Vogtland bis in den Frankenwald.
Es ist wieder eine Erinnerungswanderung – dieses Jahr nicht wie 2017 – in meine Heimat, sondern in die Geschichte meines Mannes Hubert, die immer ganz eng mit dieser innerdeutschen Grenze verbunden war – und dadurch auch mich über 40 Jahre geprägt hat.










Wir wollten Abenteuer. Wir haben es! Zwei Omas übernachten im Puff!


Die Nacht hatten wir in unseren Zimmern weniger geschlafen und mehr gewartet, bis der Morgen graut: das Pfefferspray auf dem Nachttisch, möglichst wenig Berührung mit Kissen und Matraze, Schrecksekunde bei jedem Geräusch. Morgens miaut eine gelbe(!) Katze vor meinerTür. Zeit zu gehen. Nicht ohne ein paar Fotos (soviel Zeit muss sein, und soviel Panik war dann wohl doch nicht mehr).








Ich war selten so beeindruckt von einer Ausstellung, die Erinnerung ist, die wirklich ist, die Erinnerung ist, die Alltag ist, die Ausstellung ist…






















Das 


Überall in den kleine Dörfern links und rechts des Grünen Bandes gab es früher Gasthäuser und Pensionen. Jetzt treffen wir unterwegs kaum auf eine Einkehrmöglichkeit. Häufig findet man am Ortseingang noch ein Hinweisschild mit Öffnungszeiten – aber nur, weil man vergessen hat, es abzumontieren.
In den Gaststätten selbst ist die Zeit stehen geblieben. Das Interieur aus den 60er Jahren, viel Holz, eine Schiebetür für den zweiten Gastraum, alles im Halbdunkel – ich habe sogar den guten alten Kaugummi-Automaten wiederentdeckt. Die Speisekarte stammt auch aus den 60ern: Strammer Max und Toast Hawaii. Frische Klöße gibt es – wenn überhaupt – nur an Wochenenden und auf Bestellung.






Es ist früher Sonntagmorgen, als wir von Spechtsbrunn aus über einen Wiesenweg hinauf zum Waldrand steigen. Dort finden wir bald wieder den Kolonnenweg. Und wir finden die Hinweisschilder über junge Menschen, die bei Fluchtversuchen erschossen worden sind. Hier waren es drei Menschen, vor Spechtsbrunn zwei. Abends sagte mir ein Besucher in der Gastwirtschaft: Hier ist nichts passiert. Nur einer ist mal erschossen worden. Das ist alles in Berlin gewesen.“
Was sich manchmal alles in einen Tag hineinpackt:

10 Tage sind wir nun zu einem großen Teil auf dem Kolonnenweg gewandert. Langweilig? Immer gleich? Mitnichten. Zwar ist der Aufbau meist identisch. Links und rechts ausgelegte Betonplatten mit Lochmuster, sehr verwitterungsbeständig. In der Mitte ein freigelassene Streifen Bodengrund – nicht immer gleich breit. Grenzfahrzeuge konnten – sogar mit einer Art Militär-T rabi – jeden Punkt der Grenze erreichen.




Mein Höhepunkt war aber die Kinderabteilung im Untergeschoss: Riesengroße Glasvitrinen, eigentlich Puppenbühnen hinter Glas. Darin dreidimensionale Wimmelbilder mit Puppen. Von Dornröschen, von einem Zoo oder von Wilhelm Buschs „Max und Moritz“. Am allerschönsten sind aber die Vitrinen, die die verschiedenen Berufsbilder innerhalb des Puppenmacherhandwerks zeigen: Der Bossierer, der Drücker, der Puppenstopfer, der Puppenkopfmaler, der Augeneinsetzer, der Puppenfriseur…..

In Weißenbrunn hoch über dem Stausee tut mir der Wasserfall nicht den Gefallen: Es gibt kein schönes Foto, weil das Wasser fehlt. Also auf nach Almerswind und dann noch mal 2,5 Kilometer bis Schalkau. Das erste Mal spüre ich die gelaufenen Kilometer. Es war ein sehr heißer Tag. Und durch den Umweg habe ich zwar 29 Kilometer, aber keine „Strecke gemacht“.




