Reisen

Autor: Baobab (Seite 1 von 20)

Ein paar Tipps am Ende

Ich hatte ja noch ein paar Tipps für diejenigen versprochen, die sich für die Region interessieren:

  • Der Teil des Lahnwanderweges, den wir gegangen sind, ist landschaftlich beeindruckend schön, aber auch in manchen Strecken beeindruckend herausfordernd. Wer mit Gepäck unterwegs ist, sollte sich überlegen, die Etappen zwischen Balduinstein und Obernhof und/oder Obernhof und Bad Ems zu teilen.
  • Es ist auch möglich, ein Boot zu mieten und eine Strecke auf dem Fluss zurückzulegen. Das muss  bei den Anlegestellen vorgebucht werden.
  • Man sollte die Übernachtungen schon vorbuchen. Es gibt nicht so viele Übernachtungsmöglichkeiten in den kleinen Orten. Und: Montags sind ganz viele Restaurants zu!
  • Für solche, die nur mal übers verlängerte Wochenende wandern wollen, bietet sich der LahnWeinStieg an. Man kann ihn von Obernhausen in kleineren oder größeren Runden gehen. Der Lahnwanderweg führt ein kleines Stück parallel zum Stieg. Er ist sehr gut gekennzeichnet, führt zu tollen Aussichtspunkten und historischen Plätzen mit guten Erklärungen; er ist aber auch sehr sportlich. Ohne großes Gepäck gut machbar.
  • Wer nicht wandern möchte, für den ist die Lahn ebenso ein tolles Ausflugsziel. Wer gern gut isst, kann das zum Beispiel in Balduinstein im Landhotel zum Bären. Man muss dabei auch nicht auf den guten Wein verzichten, denn die Zimmer in dem alten Haus mit eigenem Glockenspiel sind sehr schön. Das Essen ist allerdings nicht ganz billig.

 

Letzter Tag: Warum der liebe Gott mir die Füße zum Laufen gegeben hat

Eigentlich hatte ich die Reise mit allen Übernachtungen bis Bad Ems geplant. Tatsächlich hatte ich mich Wochen später vertan und Katharina und Julia gesagt, dass wir Freitag wieder in unsere jeweiligen Zuhause zurück fahren würden. Richtig wäre Samstag gewesen.

Ich selbst muss ja Samstag auch wieder in Mainz sein.

Dem Himmel sei Dank, dass ich das noch rechtzeitig in Balduinstein gemerkt habe, und wir die Übernachtung in Bad Ems kostenfrei stornieren konnten.

Außerdem: Die Etappe in die Kurstadt wäre für mich in dieser Länge und mit diesen Anforderungen (710 Höhenmeter hoch, 730 runter in 20 Kilometern; gestern waren es unwesentlich weniger) wohl nicht zu schaffen gewesen.

So entscheiden wir uns, die Tour auf halber Strecke in Nassau zu beenden.

Aber vorher wandern wir von Obernhof erst einmal wieder hoch durch die steilen Weinberge, die ich gestern kaum wahrgenommen hatte, weil ich mich so sehr auf den Abstieg konzentrieren musste.

Wahrscheinlich hat Goethe seinen Liebeskummer auch mit einem Obernhofer Riesling ertränkt…. Wir jedenfalls haben am Abend vorher gleich 2 Flaschen eines süffigen Spätburgunder Weissherbst vom Goetheberg geleert.

Jetzt stehen wir oben auf der Höhe und haben einen wunderbaren Blick auf die Weinberge Obernhof und Weinähr – die letzten des Mittelrheintals –, das Kloster Arnstein, von dem der Weinbau hier ursprünglich ausging, und das Schloss Langenau.

Dann wird es für mich nochmal etwas herausfordernd. Ein Klettersteig. Den Abzweig zur leichteren Variante haben wir irgendwie übersehen. Da hilft alles nichts. Zurück geht nicht.

Aber meine lieben Mitreisenden Julia und Katharina nehmen mir den Rucksack ab und kletterten die Leitern zweimal. Auf einer weiteren, waagrecht liegenden Leiter schnallt sich Julia kurzerhand meinen Rucksack vor den Bauch. Danke!!!

Danach ist der kurze Aufstieg auf die Hohe Lay kein Problem mehr. Auf Waldpfaden laufen wir nach dem Aussichtsfelsen problemlos nach Nassau.

Hier heißt es Abschiednehmen. Das Dream-Team trennt sich für dieses Jahr.

Es war eine tolle, auf manchen Etappen schwere Wanderung, wenn das Gepäck dabei ist. Herrliche Buchenwälder, fantastische Aussichten, viel Ruhe und ein romantisches Lahntal.

Was verwunderlich ist: Die langen Strecken haben meinem lädierten Knie nicht geschadet. Im Gegenteil.

Jetzt weiß ich, warum der liebe Gott mir die Füße zum Laufen gegeben hat:

Der Körper regeneriert und das Gemüt wird leicht.

Im letzten Blog morgen gibt’s noch ein paar Tipps für diejenigen, die Interesse an der Region gefunden haben.

 

 

Tag 5: Auf Goethes Wegen

Bei wunderbarem Fronleichnamwetter starten wir unsere heutige über 18 Kilometer lange Etappe ziemlich früh, gehen noch vor der Prozession an den Blumenteppichen vorbei, um mal wieder hoch bergan zu steigen. Bis zur Felsengrotte, der letzten Kreuzwegstation der Gemeinde Balduinstein, und dem Aussichtspunkt „Saukopp“ begleiten uns die Posaunentöne des Fronleichnamszuges. Das heißt, ich höre sie nicht, aber Julia und Katharina.

 

Oben auf der Höhe gibt’s Kirschen, die wir uns gemeinsam mit Ziegen teilen, und einen tollen Blick auf die Schaumburg. Irgendwann müssen wir umplanen, denn wegen des Unwetters 2023 scheint der Teil unseres Weges über Gabelstein-Hölloch noch gesperrt.

Also geht es die Umleitung über die Felder. Die Sonne sticht…. Als wir endlich wieder auf dem Weg bzw. Pfad sind, geht es bis Obernhof eigentlich nur steil bergauf und steil bergab. Besonders nachdem wir die Lahn bei Laurenburg überquert haben, ist die Lunge gefragt. Andererseits ist der Abschnitt deshalb interessant, weil wir über ehemalige Schiefer-Abraumhalden gehen.

Überall an der Lahn wurde in früheren Zeiten nach Erzen gegraben. In Laurenburg in der Grube Holzappel von 1751 bis 1952 nach Blei, Silber, Zink und Kupfererzen. Bei der Halde besteht Rutschgefahr, und deshalb hat Rheinland-Pfalz auch 2014 mit einem Millionenbetrag den Böschungswinkel und die Entwässerung verbessert.

Natürlich war auch Goethe auf einer seiner Lahnwanderungen hier. Die Grube besuchte er 1815. Er vermerkt in seinem Tagebuch: „Auf Holzappel. Bergkommissär Schreiber . Gang nach Schmelze. Mittag bei demselben. Freundliche Bewirtung. Verschieben der Gänge. Andres Geologische. Durch die Lahnschluchten. Nassau. Theorie des Gang Verwerfen“.

Leider bewirtet uns hier oben niemand. Aber wir haben ja unsere Brote und Protein-Papp-Riegel.

Die Waldpfade sind schmal, der Aufstieg steil und an der Hangseite geht es ebenso steil in die Tiefe.

Ich ändere meine Meinung über unseren Dichterfürsten. Er muss in jungen Jahren ziemlich fit gewesen sein. Er ist wohl einmal in 3 Tagen 85 Kilometer von Wetzlar nach Bad Ems gewandert. In Obernhof, unserem heutigen Reiseziel, war er auch. Ganz oben auf einem Felsvorsprung über der Lahn – natürlich heute Goethepunkt – hat er gesessen und den Ausspruch getan: „Der Ausblick ist zum Sterben schön!“.

Verständlich, weil der Meister gerade seine unglückliche Liebe zu Charlotte Buff aus Wetzlar verarbeitete. Vielleicht auch deshalb heißt eine der vielen schönen Aussichten „Liebeslay“.

Mir ist weniger zum Sterben als zum Ausruhen. Denn 2 Kilometer vor dem Goethepunkt mit seiner Aussichtsplattform hat das Handy geklingelt. Es war das Hotel, in dem wir übernachten wollen. Wann wir denn jetzt endlich ankommen würden. Die Rezeption sei nur bis 18 Uhr geöffnet. Wir waren bereits 16 Kilometer unterwegs. Es war nach 17 Uhr. Vom Goethepunkt gings alpin einen Klettersteig an die Lahn hinunter. Wir entschieden uns für die einfachere Variante (war immer noch sehr anstrengend). Julia eilte als Vorhut voraus. Wir schafften es pünktlich. Allerdings kamen nach uns noch mehrere Wanderer und Wanderinnen. Man soll sich halt nicht hetzen lassen.

Dafür entschädigen uns die schönen Zimmer mit Namen aus Goethes Werk. Ich übernachte im König von Thule, Julia und Katharina im „Charlotte“.

Über den guten Lahnwein, den wir am Abend auf der Hotelterrasse noch trinken – morgen mehr.

 

 

 

4. Tag: „Es lebt nur der, der lebend sich am Leben freut!

„Es lebt nur der, der lebend sich am Leben freut“. Der Satz steht als Spruchplastik am alten Fachwerkhaus der Kunstbäckerei in der Limburger Altstadt, umrahmt von Chimären, Sagengesalten, Kynokephalen und Panotieren, die allesamt böse Geister vom Haus abhalten sollen, ähnlich den Wasserspeiern und Fabelwesen an den gotischen Kathedralen. Nur dass diese Figuren noch keine 100 Jahre alt sind, aus Gips geformt und mit einer terrakottafarbenen wetterfesten Lackfarbe überzogen sind. Erschaffen hat sie der Kunstbäcker Friedel Hensler, der sich immer als Bäcker und Künstler verstanden hat. Die Fantasiefiguren erinnern mich sehr an den „Palast des Postboten“ an der Drome. Auch der Postbote hatte aus Büchern und Postkarten die Inspirationen für seinen sagenhaften Fabelbau.

Die Nachfahren Henslers haben sein Werk weitergeführt, und so sehen wir Figuren an Hauswänden bis nach Diez. In der kleinen Bäckerei selbst frühstücken wir köstlich, und erfahren nebenbei noch den einen und anderen Ortsklatsch, weil der Laden ein kleiner Treffpunkt ist,

Irgendwann wird es aber Zeit für die Etappe. Wir müssen eine Weile durch Limburg wandern, eher wir das freie Feld erreichen. Es ist schon ziemlich heiß, Schatten ist Fehlanzeige, das Wiesengras steht hoch, die Brennnesseln auch. Ich hatte mir in Limburg einen Hut gekauft – nicht um der Schönheit, sondern um des Sonnenschutzes wegen, was jetzt von Vorteil ist.

Irgendwann haben wir unmerklich die Grenze zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz überquert, denn wir nähern uns Diez. Das kleine Städtchen mit seinem prächtigen Grafenschloss ist zwar nicht ganz so pittoresk wie Limburg, hat aber mit Fachwerkhäusern, kleinen Gassen und Plätzen auch seinen Charme. Am Frisco-Brunnen neben dem Schloss erfahren wir mehr über die tragische Geschichte der Regentin Amalie von Nassau-Diez und ihrem Sohn Frisco, bereits als 15jähriger Jugendlicher Statthalter der niederländischen Provinzen, Prinz von Oranien und „Held“ im spanischen Erbfolgekrieg gegen Ludwig IV. Auf einer Reise nach Den Haag überquerte er mit einer Fähre die Maas, setzte sich wegen des regnerischen Wetters in seine Kutsche. Eine Windböe erfasste die Fähre und der junge Prinz ertrank in den Fluten.

Das traurige Schicksal ist aber bald vergessen, als wir von Diez hoch aufsteigen müssen, um wieder zu den Lahnhöhen zu kommen. Es ist ein Vorgeschmack auf das, was heute und morgen noch kommen soll. Der Lahnwanderweg ist durchaus sportlich eine Herausforderung. Ich bewundere Julia, die mit 11 (!) Kilo Gepäck die Anstiege so mühelos meistert.

Schön ist, dass die Lahnhöhen stark bewaldet sind, hauptsächlich Buchenwälder, denn Lärchen und Nadelbäume stehen – wie in der Rhön – nur noch als Gerippe.

Trotzdem fällt auf, dass auch viele Buchen entwurzelt sind. Wie wir erfahren, sind das die Folgen eines Unwetters 2023. Nicht so sehr der Pegel der Lahn war das Problem, sondern die Wassermassen, die von den Höhen ins Tal stürzten. In Balduinstein, unserem heutigen Ziel, kam eine ganze Schieferhalde ins Rutschen. Der Ort wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. „Es war wie im Ahrtal“, erzählt uns eine Bewohnerin.

Aber jetzt kommen wir erst nach Fachingen. Irgenwie bin ich enttäuscht. Es ist ein kleines Dörfchen von 700 Einwohnern und Einwohnerinnen. Nichts besonderes. Dominiert vom Werksgelände. Auf einer Wiese unter einem Baum auf einer Bank steht eine Kiste Fachinger. Gratiswasser. Leider sind alle Flaschen geleert. Doch nach kurzer Zeit erscheint ein Herr, der Nachschub bringt. Er kümmert sich ehrenamtlich um den Service, holt auch Nachschub im Werk, während Fachinger die Kisten mit einer eigenen Haushaltsstelle als Marketing verbucht. Keine schlechte Idee. Und so erfahren wir auch dass das stille Wasser aus der Quelle – das eFachingene Heilwasser – für Menschen, die Wein nicht so gut wegen der Säure vertragen, Fachinger als „Beigetränk“ Wunder wirken soll!

Durch einen Auenweg gelangen wir zur Wasseraustrittsstelle eines alten Stollens. In dem kleinen renaturierten Wasserlauf kühlen wir die Füße, bevor es dann wirklich hochgeht. Zur Franzosenlay. „ Lay“ wird hier überall verwendet und steht für Lage, Aussichtspunkt. Früher wurde der Begriff für Schieferweinlagen an der Mosel verwendet.

 

Tief unter uns glitzert die Lahn im Sonnenlicht. Irgendwann liegt Balduinstein unter uns. Um dorthin zu kommen, geht es nochmal sehr steil runter. Im „ersten Hotel“ am Platz haben wir eine sehr schöne Unterkunft gefunden. Das eigene Glockenspiel wird uns mit „Guten Abend, gute Nacht“ zu Bett begleiten.

Leider hat das wohl weithin bekannte Hotelrestaurant geschlossen. Oder doch nicht „leider“. Denn so essen wir bei „Giovanni“ direkt an der Lahn unter einem riesigen Kran an einer Brückenbaustelle. Der italienische Wirt ist ein Original, die Musik aus den 90ern, die Antipasti und die Bolognese schmecken prima. Eis gibt’s später in der Waffel. Bei einem Bummel durch den Ort mit teils wunderschön restaurierten, teils arg verfallenen und verschandeltem Fachwerk.

 

 

 

 

 

3. Tag: Von Burgen, Brücken und dem Limburger Dom

Am Morgen verzichten wir auf ein Frühstück im Gewerbegebiet und wandern durch Villmar an die Lahn. Jetzt entdecken wir doch noch einige hübsche Häuser, Teile einer mittelalterlichen Mauer und an der Lahnpromenade auf dem Gelände der nicht mehr vorhandenen Marmorfabrik eine Marmorsägemaschine und einen Marmorschleifer mit anschaulichen Erklärungen.

Frühmorgens strahlen die meisten Flüsse eine ganz besondere Stimmung aus. Die fast unmerkliche Bewegung des Wassers, die aufsteigende Kühle, die noch nicht von der Hitze aufgesaugt worden ist, die fehlenden Geräusche von Mensch und Auto. Man hört das Flügelschlagen der Entenfamilie und das Schnabelklappern eines Schwanenpaars.

Über die Marmorbrücke geht es wieder auf die andere Seite. Wir sind uns schnell einig, nicht mehr auf die Höhe aufzusteigen, sondern auf dem Fahrradweg ins 3 Kilometer entfernte Runkel zu laufen. Eine gute Entscheidung. Wir treffen nur einen Biologen, der am Konradfelsen mit dem Fernrohr nach einer seltenen Steinbrechart sucht, und einen Ornithologen, der in begleitet. Das König-Konrad-Denkmal aus Sandstein auf einem Marmorsockel wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert auf dem Bodensteiner Ley errichtet. Es soll den ersten deutschen König ehren. Von der Lahn aus sieht man nur wenig vom der Statue. Es schimmert weiß.

Erst kurz vor Runkel wird es betriebsamer. Eine Gruppe Jugendlicher startet an der Ankerstelle zum Kanufahren.

Wir spazieren über die alte Lahnbrücke aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, die offensichtlich damals so stabil gebaut wurde, dass sie heute noch für den Autoverkehr zugelassen ist. Hoch über uns erhebt sich die imposante mittelalterliche Burg Runkel auf einem steilen Felsen. Und wieder staune ich über die Baukünstler des Mittelalters, die dies ohne KI und hochentwickelte Maschinen vollbrachten. Und gleichzeitig: Wieviel Menschen hier unter schlimmsten Bedingungen schuften mussten…. „ Wer baute das siebentorige Theben?“

Gegenüber der Burg Runkel erhebt sich am anderen Ufer das Schloss Schadeck, erbaut als Trutzburg gegen Runkel  wegen Erbstreitereien. Die Auseinandersetzungen gingen durch die Jahrhunderte hindurch, zwischenzeitlich mischte auch der Trierer Erzbischof mit. Schließlich wurde Schadeck im Dreißigjährigen Krieg zum großen Teil geschleift.

Wir scheren uns nicht um diese alten Auseinandersetzungen und wandern durch die Gassen des sehenswerten alten Ortskerns zum Altstadtcafe. Dort wollen wir endlich frühstücken. Aber so einfach ist das nicht. Ein Rührei mit Schinken und ein überbackenes Toast, jeweils mit Milchkaffee, ist ja noch machbar. Aber dazu ein großes Frühstück mit Käse, Wurst, Marmelade und Ei überfordert die Küche. Wir verstehen zuerst überhaupt nichts. „Na, in der Küche ist kein Platz, um das alles nebeneinander fertig zu machen!“ Erst als wir versichern, dass wir Zeit haben, sie erst den Kaffee und dann nach und nach das Übrige bringen könne, gibt die Bedienung ihre Bedenken auf. Dann kommt der Heinl-Kaffee im typischen 70er Jahre Gedeck und ich fühle mich zurückversetzt in meine Schulzeit, als wir die Lateinstunde schwänzten, um im Café aus genau diesen Tassen genau jenen Kaffee zu trinken mit Scheiblettenkäse, Schinken, Ei und Marmelade.

Bevor wir die Wanderung fortsetzen, lasse ich in der nahegelegenen Apotheke meinen immer noch schmerzenden dicken Knöchel verarzten.

Dann geht es endlich weiter. Und zwar meist idyllisch am Fluß entlang. Wir rasten noch einmal an einem friedlichen Waldfriedhof, um dann eine Lahnschleife abzuschneiden und auf schattenfreiem Feld weiterzugehen. Schweißtreibend.

Die mächtige Kirche in Dietkirchen verwechsele ich erst mit dem Limburger Dom, bis ich erkenne, dass sowohl der rote Farbton als auch die vielen Türme fehlen. Der richtige Dom kommt aber bald ins Blickfeld. Wie oft habe ich ihn schon von der Autobahn aus gesehen. Jetzt ist es ein eigentümliches Gefühl, erst unter der der ICE-Trasse, dann unter der A3 durchzulaufen . Gegenüber den Pfeilern der Autobahn erscheint der Dom in der Ferne so winzig.

Wir wandern auf dem ehemaligen Treidelpfad bis zu einem Picknickplatz an einer ehemaligen Mühle. Hoch über uns erahnen wir den Dom und das Schloss. Doch zuerst müssen wir uns im Hotel ganz nahe der Limburger Altstadt den Schweiß wegduschen.

Die Limburger Altstadt ist ein Juwel. Wunderbare Fachwerkhäuser, originelle Geschäfte, Restaurants und Kneipen, italienisches Flair in den engen Gässchen.

Es gibt sogar eine Kunstbäckerei, deren Hausfassade zwar keine mittelalterlichen Schnitzereien zieren, dafür aber lustige und skurrile Fantasiewesen, die noch gar nicht nicht so alt sind. Dazu aber morgen mehr.

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2.Tag: Von Zecken, Mücken, Sonne pur und Döner

Die 2. Etappe von Aumenau nach Villmar gehen wir gemütlich nach einem ausgiebigen Frühstück an. Es sind ja nur 14 Kilometer mit wenigen Steigungen. Und da wir von Seelbach aus nicht mehr nach Aumenau absteigen, sondern durch die Felder zur Tour queren, haben wir noch einmal einen Kilometer verkürzt.

Vor Beginn der Tour habe ich meine Beinlinge ausgezogen (Fehler Nr.1) und mich nicht mit Mückenspray eingerieben (Fehler Nr.2). Das wird sich noch rächen.

Hat Buchenwald und ein grauer Himmel das Bild des ersten Tages bestimmt, so sind es jetzt am Vormittag die freie Flur, Weizenfelder, weite Ausblicke und ein strahlend blauer Himmel. Wir queren den Arfurter Bach und den Tiefenbach (muss man nicht kennen) und klettern ab und an auch kleine schmale Steige hinab. Auf dieser Etappe gibt es reichlich Bänke, die wir auch nutzen.

Es geht einen Waldsaum entlang durch höher stehendes Gras, wo mich irgend ein Vieh durch den Strumpf hindurch sticht. Der Stich entzündet sich im Lauf des Tages und plagt mich auch noch den nächsten Tag

Auf Julia haben es die Zecken abgesehen. Während Katharina und ich nur jeweils von einer erwischt werden, zählt sie abends nach 2 Tagen neun. Die Zeckenzange ist im Dauerbetrieb.

Wir wandern oberhalb der Lahn, unter uns die Marmorbrüche, für die Villmar bekannt ist. Leider ist das Museum mogs zu, wie auch alle Gaststätten in Villmar.

Aber erst einmal geht’s runter an die Lahn auf den Fahrradweg (kaum Betrieb), zur Schleuse und zur Marmorbrücke, über die wir ans andere Ufer gelangen.

Villlmar ist tiefste deutsche Provinz. Kunstblumen in den Fenstern, bayerische Balkone im Neubaugebiet, von Robotern gepflegte Rasen. Ins Neubaugebiet müssen wir. Dort war in einem Gästezimmerhaus im Souterrain ein Dreibettzimmmer frei. Frühstück gab‘s nicht.

Wir müssen ins Gewerbegebiet laufen, um zum einen im Supermarkt Wasser zu kaufen, und zum anderen in der einzigen offenen Gaststätte, einem Döner-Laden, etwas zu essen. Wir nehmen‘s mit Humor, denn es war ja eine schöne Wanderung. Und außerdem haben wir noch eine Flasche Weissburgunder, die Katharina mitgebracht hatte und die wir auf einer kleinen Terrasse leeren.

1. Tag: Im Buchenwald hoch über der Lahn

20 Kilometer mit Gepäck am ersten Wandertag sind nicht ohne. Und deshalb nehmen Jule und ich gerne das Angebot des Hotels an, mit dem Aufzug in die Tiefgarage zu fahren, um dann direkt zum Ernst-Dienstbach-Steg zu kommen (eigentlich hätten wir erst die Straße hoch Richtung Schloss laufen müssen, um dann viele Treppenstufen bis zur Lahn wieder runterzusteigen). Der Steg war ursprünglich als Träger für eine hölzerne Leitung gedacht, die Wasser von einem Reservoir auf den Lahnhöhen auf der anderen Uferseite in die Residenzstadt befördert hat. Von dort wurde es ins Schloss gepumpt. Für das Jahr 1706 war die Gesamtanlage eine technische Meisterleistung.

Wir gehen langsam den Waldweg aufwärts, kommen an den Ruinen des Reservoirs vorbei und steigen durch Buchenwald immer höher. Nur das Vogelgezwitscher ist zu hören – und natürlich ab und an das Gegickere von Julia und mir, wenn wir unsere Blödeleien machen. Das satte Grün, die Buchen, die teilweise einen Umfang von mehr als zwei Metern haben und kerzengerade bis in den Himmel zu reichen scheinen, die mal breiten Waldwege, mal schmalen abwärts führenden Pfade, die unseren Weg kreuzenden Rehkitze – ein wunderbarer Wanderweg und – wie beworben: Natur pur.

Nur das eine oder andere Hindernis in Form von Baumstämmen oder frisch geknickten Wildkirschen hätten nicht sein müssen.

Irgendwann nähern wir uns dann wieder der Lahn, die manchmal silbern unter uns durch die Bäume glitzert.

Jetzt sind wir immer mal wieder auf freier Flur. Die schönen Ausblicke bis hin zum Feldberg haben wir allerdings nur schemenhaft, denn der Himmel wird zunehmend grau.

Und dann, 7 Kilometer vor dem Ziel in Aumenau, fängt es an zu regnen. Wir hatten das schon viel früher erwartet, aber der Regen hat uns bis zum Nachmittag verschont. Zuerst hören wir nur das Rascheln im Blätterwald, aber irgendwann hält auch das schönste Laubdach nicht mehr. Wir sind gezwungen, die Regensachen anzuziehen.

Auf der freien Feld- und Wiesenlandschaft lässt der Regen dann bald nach. Wir wandern herrlich abwärts zur Lahn nach Aumenau. Allerdings kann ich die Schönheit nicht mehr so ganz genießen, denn nach dieser ersten Wanderung am ersten Tag tut mir alles weh.

An der Lahn herrscht Betrieb. Spaziergänger, Radfahrerinnen, Kinderwagen, Roller. Im Vergleich zu den Stunden vorher, wo uns seit Weilburg nur eine Reiterin und ein Jogger begegnet sind, ist das hier eine Völkerwanderung,

Wir sind jetzt einfach müde. Und so telefonieren wir mit unserem Gastgeber in Seelbach, 2 Kilometer von Aumenau aufwärts, der angeboten hatte, uns abzuholen.

Katharina, die Dritte im Bunde, wartet schon in der Dorfgalerie Lahntal, unserer Übernachtung. Es ist ein wirklich uriges Domizil, das uns erwartet. Der Heppsche Hof steht unter Denkmalschutz, wurde vor etwa 10 Jahren von einem Paar gekauft, das die vielen Gebäude nach und nach saniert – und gleichzeitig wundervolle Gastgeber sind. Weil Sonntag ist und es in Seelbach keine Gaststätte gibt, zaubert uns die Gastgeberin abends ein 3-Gänge-Menu. Und am Morgen gibt’s ein Frühstück, wie es das Wanderherz erträumt.

So können wir gut zur 2. Wanderung am nächsten Tag nach Villmar starten.

 

 

 

Ein nackter Goldjunge, Donnerschläge und Haydn im Schlosshof

Nein, dieses Jahr bin ich nicht am Grünen Band unterwegs. Nach der schönen Eichsfeld-Harzwanderung bis hinauf auf den Brocken muss der Weg an der ehemaligen innerdeutschen Grenze ein Jahr warten. Nächstes Jahr geht es dann mit dem Rad entlang der Elbe weiter zur Ostsee.

Aber da sich auf der Wanderung vergangenes Jahr herausgestellt hatte, dass das Trio Mutter, Tochter, Nichte schon ziemlich nah am Dream-Team war, haben wir uns 2025 wieder verabredet. Zum Lahnwanderweg. Es geht nicht von der Quelle zu Mündung – dafür fehlt die Zeit -, aber von Weilburg bis Bad Ems.

Julia und ich treffen am späten Nachmittag in dem Residenzstädtchen an und sind gleich begeistert: Die Lahn macht träge eine Schleife, der Wald kommt ganz nah an die Fachwerkhäuser, und hoch oben thront auf einem Felssporn das Schloss derer von Nassau-Weilburg. Mit seinem barocken Schlossgarten – Ober- und Untergarten, Orangerie, Terrassen – erinnert alles entfernt an Sanssouci und Versailles. Allerdings en miniature. Und tatsächlich war es so, dass der junge Graf Johann Ernst zu Nassau-Weilburg (1664-1719), auf seiner Bildungsreise an den Hof des Sonnenkönigs kam und wohl so angetan war von der absolutistischen Pracht und Herrlichkeit, dass er meinte: „Das will ich auch“. Und so kam es, dass ein kleiner wenig Schein Ludwig XIV auch in die hessische Provinz fiel. Mitsamt den arg neuzeitlich vergoldeten, nackt musizierenden Jünglingen im Park.

 

Als wir durch den Garten schlendern, verdunkelt sich der Himmel und die Schwüle des Tages entlädt sich in Gewitter und Starkregen.

Gott sei gelobt, macht das Unwetter nur eine kurze Zwischenstation in Weilburg. Denn – welch Zufall – just am Abend unserer Ankunft findet im Schlosshof ein Konzert des Weilburger Musikfestivals statt. Und so genießen wir Rossini, ein Cellokonzert von Edward Elger und eine Haydn-Sinfonie, bevor wir am nächsten Tag zur ersten Etappe nach Aumenau starten.

 

 

 

 

 

 

 

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