Wollte ich aus all den sehr schönen Etappen, die ich auf dieser Wanderung gegangen bin – und es gibt keine, die nervig, öde oder langweilig war -, wollte ich also zwei auswählen, die die „Allerscheenste“ waren, so wären das die von Bodenheim nach Oppenheim am Rheinterrassenweg und die heute von Johanniskreuz zum Gelterswoog.
Während die eine hoch oben vom Roten Hang aus atemberaubende Blicke auf den Rhein freigibt und dabei durch die Wein-Kulturlandschaft führt, taucht die andere ganz tief in den Pfälzer Wald ein, in seine Schluchten, Täler, Bäche, Feuchtwiesen. Und in die Kulturgeschichte der Eisenverhüttung.
Johanniskreuz also der Startpunkt um 8:00 Uhr. Das Hotel dort übrigens war überteuert, und ich habe das mit Abstand schlechteste Essen der vergangenen 14 Tage gegessen. Schwamm drüber, dafür hat der Wirt mir die Zecke fachmännisch entfernt.
In Johanniskreuz habe ich als Kind zum ersten Mal auf Skiern gestanden – ist ja auch mit 473 Meter der höchste Punkt meiner Tour. Johanniskreuz ist ein Wegekreuz für Wanderer, Biker, Motorradfahrer, Autofahrer. Und dort haben Hubert und ich uns bei einer Wanderung vor ein paar Jahren so verirrt, dass wir in einem Tal ankamen, dass kilometerweit von unserem Auto entfernt war. Hubert hatte damals, während wir orientierungslos herumirrten, sehr launisch und bildhaft die Zeitungsgeschichte von dem Mann erzählt, der eine Woche lang im Pfälzer Wald unterwegs war, weil er nicht mehr rausfand. Seitdem habe ich, was den Pfälzer Wald betrifft, ein kleines „Trauma“.
Deswegen will ich mich heute sehr konzentrieren, denn bei vor mir liegenden 20 Kilometern kann ich es mir nicht leisten, weitere 10 mit „Sackgassen-Laufen“ zu verbringen.
Es wird nicht regnen. Das weiß ich von den Tauben (und von der Wetter App). Die Zuchttauben des Hotelbesitzers sind heute zu einem Probeflug nach Frankreich gestartet. Das wären sie nicht, wenn es regnen würde. Sagt die Ehefrau des Hoteliers.
Tatsächlich löst sich der Nebel bald auf, und der Weg durch den Pfälzer Wald Richtung Finsterbrunnental – immer sachte bergab – ist ein Genuss für alle Sinne. Der Geruch des Waldes, der samtweiche Waldboden, das Grün in allen Schattierungen, die Stille.
Die Markierungen sind sehr gut und sehr neu. Trotzdem muss man aufpassen. Wie schnell läuft man so dahin, in Gedanken versunken auf einem breiten Forstweg – und schon hat man das kleine “Pädche“ übersehen, das links den Hang runterführt. Wie im Leben manchmal.
Heute übersehe ich nichts. Der Pfad führt in Serpentinen hinunter zur Moosalb. Und hier beginnen die Spuren der Eisenverhüttung, die in der Region zurück bis in die Zeiten des 30jährigen Krieges reicht. Ein Stein markiert die „Uralte Schmelz“ (zerstört 1636), ein Holzkohle-Schmelzofen zur Eisengewinnung. Oberhammer heißt ein Ort in der Nähe, ein Name, der auf das frühe Handwerk hinweist.
Schnell bin ich an der Karlstalschlucht. Caspar David Friedrich hätte sie gemalt, Eichendorff ein Gedicht geschrieben und Schumann ein Lied komponiert, hätten sie die Schlucht gekannt. Ich durchwandere sie, nehme mir viel Zeit und weiß, dass ich mit meiner Tablet-Kamera keine Chance habe, auch nur einen Bruchteil dieser wildromantischen Schlucht einzufangen, durch die die Moosalb fließt.
Ursprünglich hieß die Klamm „Wüstetal“. Freiherr Franz Carl Josef von Hacke, Erbauer des Trippstadter Schlosses, hat der Karlstalschlucht ihren Namen gegeben. In den nach englischem Vorbild gestalteten barocken Schlosspark ließ er die Schlucht mit einbeziehen.
1 Kilometer weit geht es über Treppchen und Brücken durch den Schluchtwald. Es gurgelt und murmelt, es sprudelt und strudelt. Es ist grün und feucht. Moose und Farne überwuchern die gewaltigen Sandsteinblöcke. Pfälzer Regenwald.
Am Ende der Schlucht weitet sich das Tal, und ich gehe über Wiesenbäche (der Weg ist gut befestigt und teilweise als kleiner Dammweg gebaut). Auch hier quellt es überall.
Vorbei an Mittelhammer mit der Klugschen Mühle, komme ich – wie kann’s auch anders sein – nach Unterhammer. Dort stand zu Zeiten des Freiherrn Anton von Hacke (der Vater) das von ihm gegründete Hammerwerk mit Herrenhaus (Hier kann man heute „Romantik-Übernachtungspakete“ buchen!)
Der alte Freiherr, kurpfälzischer Oberjägermeister, Herr von Trippstadt, dem durch Zukauf so gut wie alles in der Region gehörte, muss ein kreativer Kopf mit Geschäftssinn gewesen sein. Er gründete das Eisenhammerwerk in Unterhammer, sorgte für die nötige Infrastruktur, ließ Stauweiher anlegen, um die Wasserkraft nutzen zu können, ließ Meiler errichten, um die für die Eisenherstellung nötige Holzkohle vor Ort zu haben; ja, er sorgte auch mit einem Entwässerungssystem dafür, dass in den Bachwiesen („Buckelwiesen“) Heu für die vielen Pferde der Fuhrleute geerntet werden konnte. Er warb Siedler aus Tirol an und baute Häuser für sie. Also ein Tausendsassa, der außerdem mit seiner Frau noch 18 Kinder zeugte.
Später führten die „Pfälzer Eisenbarone“ das Werk weiter. Mit dem Beginn der Industrialisierung, mit der Dampflok, fielen die Blechpreise. Den Niedergang der Produktionsanlagen konnte auch König Ludwig I von Bayern mit seinem Besuch im Karlstal 1862 nicht aufhalten.
Das alles erfährt man auf Informationstafeln des Eisenhüttenweges, der hier den gleichen Verlauf wie der Jakobsweg hat.
Genug der Kulturgeschichte. Flugs bin ich wieder im Wald, wo ich im Naturfreundehaus Finsterbrunner Tal (sehr gemütlich) einen Kaffee trinken. Ab hier kenne ich alle Ortsnamen: Schopp, Krickenbach, Stelzenbach… Mein Großvater ist hier in den 60ern über die Dörfer gefahren, um Wäsche und Kleider zu verkaufen. In den Dörfern gab es nichts, und Autos hatten die wenigsten.
Um 13 Uhr bin ich am Gelterswoog. Im Seehotel. In FCK-Land. Rückzugsort vor wichtigen Heimspielen. Aber auch guter Treffpunkt für Absprachen von Funktionären. Wie heute wohl. Glaube ich zumindest zu beobachten.
Jedenfalls ein guter Ort. Und gutes Essen. Und ein schönes Zimmer mit Blick auf den See.
Das war heute eine Premium-Wanderung. Ohne Regen. Auf die Tauben ist Verlass. Man sollte sie nicht im Park vergiften gehen.
Hallo liebe Barbara,
ich bewundere Dich nicht nur für Deine körperliche Energie, sondern auch für Deinen Einsatz ,uns jeden Tag mit schönen Bildern und ausführlichen Texten zu versorgen.Ich hätte gedacht, daß Du nach den Touren nur noch auf die Liege willst und ausruhen.Alles Gute und viel Spass daheim beim Feiern.
Deine Marion und Ansgar
Hallo Barbara, die Tour bekommt Dir sichtlich gut.
Morgens das Erste: “ ein neuer Bericht?“.
Es ist eine Freude Deine Erlebnisse zu erfahren.
Bis bald!
In Deinem heutigen Etappenbericht fasziniert mich am meisten der Freiher mit den 18 Kindern mit der selben Frau! Das muss man sich mal vorstellen, wenn die Familie am Abendbrottisch zusammen saß – 20 Personen! Da war richtig Leben in der Bude! Wo gibt es so etwas denn heute noch? Dir liebe Barbara wünsche ich eine angenehme letzte Etappe mit fröhlichem Zieleinlauf. Bis bald! Jürgen.
Liebe Barbara,
Du schreibst so wunderschön lebendig, so dass man sich Deinen Weg, den Wald, die Bächlein, einfach alles auch ohne Fotos vorstellen kann. Aber auch die sind sehr schön! Alles Liebe für die letzten Abschnitte Deines Weges, Gruß Helga
Wir haben gestern an dich gedacht, denn hier hat es pausenlos geregnet. Und wir haben uns gefragt, was schlimmer ist: bei Regen wandern oder umziehen … Jetzt kommt hier langsam die Sonne raus. Viele Gruesse aus Muenchen – auch von Beate
Liebe Barbara, es gibt keine Zufälle, wie Du ja schon sagtest. Ich habe die Tage überlegt und gegoogelt, wo ich an meinem Geburtstag gerne sein möchte, weg von zu Hause und irgendwo schön essen. Hängengeblieben bin ich bei dem Seehotel am Gelterswoog – bis dahin nie davon gehört. Gestern Abend, was lese ich, Du hast im Seehotel am Gelterswoog übernachtet. Was sagst Du dazu?
Ich habe mich sehr darüber gefreut.
Für die letzten Etappen wünsche ich Dir weiterhin viel Schwung!
Bis daheim liebe Grüße von Dagmar
hallo barbara
ich beneide und bewundere dich.so möchte ich auch schreiben und fotographieren können.das passt alles so gut und macht spaß zu lesen. besonders die kleinigkeiten wie die dialektzitate sind köstlich. verlauf dich nit gruß dieter