Ich wusste ja, dass es im Pfälzer Wald schwierig wird. Das ist einfach kein Wonnegau. Und die Experten vom Pfälzer Wald Verein sind schon immer knauserig mit ihren Wegmarkierungen gewesen: „ Ei Maad, do muscht du dich halt e bissje orientiere!“


Aber alles ist gut. Ich bin zwar nicht in der Pension, in der ich reserviert habe, aus geplanten 10 Kilometern sind mindestens 16 geworden geworden, ich bin genau 1,2 Kilometer mit dem Taxi gefahren – kostenlos -, ich sitze im Warmen und Trockenen in einem Hotel in Johanniskreuz, und wenn die Chefin der Pension jetzt noch mit einer Zeckenzange kommt, die sie besorgen will, bin ich eigentlich recht zufrieden.
Dabei begann der Morgen recht unkompliziert. Dank Wetter.com wusste ich, dass ich gut daran täte, früh loszulaufen. Ich bin den Weg wieder zurück nach Appenthal – besser und schneller wäre es gewesen, vom Naturfreundehaus über den Berg nach Elmstein zu gehen. Aber was soll’s. Elmstein ist ein Ort wie in einem Märchen: Fachwerkhäuser, schmale Gässchen, eine Burgruine, der kanalisierte Speyerbach – und der einladend wirkende Gasthof zur Linde, in dem man auch übernachten kann. Es geht immer am Speyerbach lang. Mal ganz nah bei, so dass ich sogar ohne Hörgeräte das Murmeln des Bachs hören kann, mal 50 Meter oberhalb des Wassers. Die Gleise des Bähnles begleiten mich jetzt nicht mehr.
Ab und zu nieselt es kurz. Es sind aber eher die Nebelfetzen, die in den Bäumen hängen. Ich denke gerade, dass bei diesem feucht-warmen Wetter die Pilze wachsen müssten, als ich schon die ersten sehe.
Irritiert bin ich, als ich zu einer Art Schleuse komme. Wieso das?
Es ist eine Triftanlage aus jenen Zeiten, in denen das Holz auf dem Wasserweg transportiert worden ist. Jetzt verstehe ich auch, warum der Speyerbach die ganze Zeit „eingemauert“ ist. In den Triftanlagen wurde das Wasser zeitweise gestaut. Beim Öffnen ist eine Sturzwelle entstanden, auf der das Holz mitschwimmen konnte. Triftknechte mit Haken gaben dem Holz die richtige Schwimmrichtung. So haben die armen Waldpfälzern den reichen, aber holzarmen Weinbauern in Neustadt zu Brandholz verholfen.


Auf den schmalen Pfaden entlang des Speyerbachs, auf denen ich jetzt gehe, waren wahrscheinlich auch die Knechte unterwegs. Es erinnert mich an die Treidelpfade am Rhein.
Unmerklich steigt der Weg an. Es geht gegen Johanniskreuz. Vor Speyerbach wechsle ich über die Landstraße auf die andere Seite und freue mich, wie gut ich das schaffe.
Dann das verwitterte gelbe Kreuz mit – meiner Meinung nach – einem Pfeil in den Wald hinein. Das kann eigentlich noch nicht der Punkt sein, an dem mein Weg eine Schleife macht. 500 Meter rein, dann wieder zurück Auf der anderen Seite der Straße scheint kein Weg zu sein. Nur kniehohes Gras und Brennesseln. Nochmal den Forstweg hinein. Jetzt fängt es richtig an zu regnen. Ich klettere einen Hochsitz hoch, habe Schutz vorm Regen – und überlege.

Da blockiert mich doch einer!

Erstens: Mein nächster Kauf ist ein Wander-Navi. Zweitens: Ich werde die Straße hochgehen. Es ist wenig Verkehr und höchstens noch 2 Kilometer bis Schwarzbach, meinem Etappenziel kurz vor Johanniskreuz. Gesagt, getan.

100 Meter die Straße hinauf, sehe ich links von mir meinen richtigen Weg. Er war bei der Einmündung so zugewachsen, dass ich ihn nicht entdecken konnte. Bei der nächsten Möglichkeit wechsle ich auf den Wanderweg. Auf dem steht das Gras hoch. Anscheinend geht kein Mensch hier lang. Vorteil: Sehr idyllisch. Nachteil: Nasse Schuhe.
Dann endlich eine Richtungsanzeige: 1 Kilometer nach Schwarzbach halblinks, rechts nach Johanniskreuz. Ich nehme Schwarzbach, wandere oberhalb des Weilers entlang – viele Ferienhäuschen – bin aus dem Ort raus und finde keinen Abstieg. Also den Hang runter. Da sind die Zecken. Eine entdecke ich, bevor sie sich richtig an mich klammert. Die zweite sehe ich zu spät. Aber gut. Ich bin am Ziel. Alles weitere wird sich geben. Pustekuchen. Der Gasthof Waldesruh öffnet erst um 17 Uhr. Es ist jetzt noch keine 14 Uhr und es regnet. „HOTEL GEÖFFNET“ steht da. Aber kein Mensch ist da. Ich klopfe an sämtlichen Türen. Nichts.
Telefonnetz gibt’s hier nicht. Kein Mensch nirgends. Ich gehe hoch zur Straße nach Johanniskreuz und entscheide mich gerade, diesen einen Kilometer hochzulaufen, um mir dort etwas zu suchen, als ein Taxi vorbei fährt. Der junge Fahrer nimmt mich wie selbstverständlich mit und fährt mich bis zu einem Hotel. Da habe ich mit Hubert vor Jahren Kaffee getrunken.
Ein Messer gibt mir der Chef nicht, damit ich die Zecke rausholen kann. Seine Frau will in der Apotheke – wahrscheinlich Trippstadt – eine Zeckenzange holen. Derweil unterhalte ich mich mit einer Truppe Traktorfahrer aus dem Hunsrück, die zu einem Traktor-Fahrer-Treffen ins Elsass fährt.


Die Zeckenzange gab’s nicht, jetzt haben wir eine Pinzette genommen. Operation in der Gaststätte unter Beteiĺigung aller Gäste. Mit viel Gelächter. Jetzt geht es mir wieder gut.
Und morgen die längste Etappe der Tour bis zum Gelterswoog. Laut Wetter App wird es besser. Im Moment sieht es noch nicht danach aus. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.