Ich starte um 8:00 Uhr am Morgen mit einer Abkürzung in Osthofen, ein Tipp der freundlichen Bedienung im „Weißen Ross“, der bisher kuriosesten Übernachtung auf der Wanderung (Dazu später in der „Hotelkritik“ mehr).
Es geht steil den Kirchberg hoch zum „größten Weinbergshäuschen“ der Welt, der Bergkirche – früher auch als Wehrkirche Zufluchtsort der Osthofener. Aber von den Wehranlagen ist nichts mehr übrig. Die Kirche mit ihrem Friedhof erinnert mich an den Laurentiusberg in Aachen.
Es geht dann weiter durch – Überraschung! – Weinberge. Ich bin nicht mehr so in Eile wie in den ersten Tagen und gönne mir ab und an Abstecher. Der erste zum „Roten Häuschen“ war nicht so spannend. Die Weinbergshäuschen sehen nur von der Ferne hübsch aus. Das bestätigt sich auch beim zweiten, dem „weißen Häuschen“. Ich nehme mir vor, dass ich keinen dritten Versuch machen werde. Dafür nutze ich die Pause für das erste Selfie meines Lebens.
Es geht im Zickzack-Kurs durch die Weinberge Richtung Abenheim. Die rheinhessischen Hügel sind hier eher sanfte Wellen, so dass trotz Hitze das Gehen leicht fällt. Wieder keine Menschenseele außer mir unterwegs. Nur im Weinberg tut sich was. Traktorengeräusche und der Geruch nach gemähtem Gras. Die Reben sind geschnitten. Alles sieht sehr akkurat aus. Jetzt wird der Boden zwischen den Reihen gepflügt oder das Gras geschnitten. Ab und an sehe ich auch einen Spritzwagen.
Vor Worms-Herrnsberg komme ich vom Weg ab, weil ich in Gedanken bin (Nein, die Markierungen sind in Ordnung. Und ich habe ja jetzt auch 3 (!) verschiedene zur Auswahl – Jakob, Luther und Rheinterrasse.
Zurück will ich nicht mehr, also orientiere ich mich ohne Wegzeichen. Das klappt. Dann aber entdecke ich rechts von mir etwas erhöht und durch einen Hang von meinem Weg getrennt, vor tiefblauem Himmel einen weißen Trullo mit der Sonne um die Wette stra hlen. Er liegt am „richtigen“ Rheinterrassenweg! Es ist, als sei ich in Apulien. Also werde ich mir untreu und mache den 3. Versuch zum Besuch eines Weinberghäuschens. Es ist eine Kraxelei, die sich gelohnt hat.
Der Trullo ist nicht das, was er scheint, sondern eine Kapelle der Heiligen Anna. So schön, dass ich hier eine kurze Rast einlege. Kaffee will ich am Herrnsberger Schloss trinken. Bis zum Park, der größten nach englischem Vorbild gestalteten Gartenlandschaft in Deutschland, sind es nur noch wenige Minuten. Sehenswert.
Der Biebricher Schlosspark kann sich darin verstecken. Große Laubbäume, künstlich angelegte Grotten und Teiche, weite Rasenflächen und oben das Schloss derer von Dalberg.
Da war der Mainzer Hof fast so etwas wie eine Sommerresidenz. Das Schloss hat seine Anfänge im 16. Jahrhundert, wurde aber, wie so viele Städte und Gebäude in Rheinhessen im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört (an dieser Stelle ein „stilles Gedenken“ an „unsere“ Pfälzer Liselotte, deren geistreiche und literarischen Briefe aus Frankreich in die Pfalz ich immer noch nicht gelesen habe).
Leider hat das Schlosscafe zu, wie auch sonst der hübsche Ort ausgestorben ist. Ich besichtige die ursprünglich romanische Kirche (Turm) und gehe Richtung Worms Zentrum, ohne auf die Markierung zu achten. Ein Fehler, ein großer Fehler. Statt an die Pfrimm zu kommen und die 4 Kilometer am Bach entlang zu spazieren, laufe ich an einer vielbefahrenen Straße entlang. Und da taucht auch die Muschel auf. Als hätte ich es geahnt. Pilgerwege sind Leidenswege!
Den Kaffee trinke ich dann im Stehen bei Rewe, bevor ich weiter stadteinwärts marschiere. Mittlerweile ist es ziemlich heiß.
Aber ich schaffe es zum Altstadtkern und gönne mir einen zweiten Kaffee in netter Umgebung mit Blick auf die romanische Basilika St. Martin. Passt.
Vor dem Dombesuch will ich mein Gepäck abgeben und duschen. Es ist ja noch früh am Nachmittag.
Ihr denkt, die Jugendherbergen sind nicht mehr das, was sie mal waren? Weit geirrt. Sie sind noch so wie früher (auch hier später mehr unter Hotelkritik).
GUT, dass ich ein Handtuch mit im Rucksack habe.
Jetzt zum Dom. Ich habe es tatsächlich geschafft, vom Mainzer zum Wormser Dom zu laufen. Beide sind mächtig beeindruckend. Der Wormser vielleicht weil er kleiner ist, irgendwie kompakter und klarer. Außen ist er allerdings durch die hohen Häuser ziemlich zugebaut. Und die Aufbauarbeiten für die Nibelungenfestspiele tun ihr Übriges.
Ich schlendere noch zum Lutherdenkmal – der Reformator ist hier allgegenwärtig – und beende meinen Gang durch die Stadt mit einem Besuch des Jüdischen Friedhofs – der größte in Europa.
Gestern leichte 20 Kilometer, heute anstrengende 17.
Ich bin gespannt auf morgen…… und verabschiede mich in die untere Etage meines Doppelstockbettes.
Liebe Barbara, ich freue mich jeden Tag über Deine eindrucksvollen Schilderungen und bin immer ganz neugierig auf das, was Du tagsüber so alles erlebt hast. Viel Schönes, Kultur, Landschaften, gutes Essen und Wein , interessante Begegnungen, aber auch Trauriges. Wir waren vor vielen Jahren, als das Dokumentationszentrum gerade aufgebaut wurde, einmal in Osthofen, danach nie mehr. Werden es demnächst aber mal nachholen.
Für Deine morgige Etappe möglichst viel Schatten und viele Wasserflaschen, es wird heiß.