Hirschberg ist eine sehr alte, aber trotzdem quirlige Stadt, das „pulsierende Herz des Hirschberger Tals“ (Christopher Schmidt-Münzberg. In: das Hirschberger Tal einst und jetzt. Görlitz 2019). Die Altstadt wird durch den sogenannten Ring geprägt, ein rechteckiger großer Platz, der vom Rathaus dominiert ist. Wir schlendern an prächtigen Patrizierhäusern vorbei – die meisten sind allerdings nur noch Fassade. Die Laubengänge erinnern an spanische mittelalterliche Städtchen, wie überhaupt die vielen Cafés und Restaurants mit ihrer Aussenbestuhlung südländisches Flair ausstrahlen. Wären da nicht Hirsche und natürlich die Figur des Rübezahl in immer neuen Varianten im Stadtbild, mal als Fahne, als moderne Skulptur oder als alte Schnitzerei.
Sie machen klar, dass wir am Fuß des Riesengebirges sind. Am meisten beeindruckt hat mich das geschnitzte Geländer im Rathaus, das, sehr kunstfertig mit viel Liebe fürs Detail ausgearbeitet, Szenen aus Rübezahls Sagenwelt aufgreift.
Übrigens: Die so romantischen Laubengänge bei den Patrizierhäusern erzählen noch eine andere Geschichte: Sie waren nämlich auch Marktstände. Es gab die Butterlauben, die Korn-, die Garn- und die Tuchlauben. Der „Schleierherr“ saß auf einem hölzernen Thron, die Weber legten ihm ihre Ware zur Begutachtung vor. Gefiel das Leinen, wurde es sofort mit einem Kohlekreuz gekennzeichnet. Erst dann begann die Verkaufsverhandlung. Der Weber hatte keine Chance mehr, denn der Stoff war praktisch unverkäuflich gemacht worden. Er erhielt einen geringen Preis für die Ware, die dann vom Kaufherrn veredelt und teuer verkauft wurde.
Vom Reichtum der Hirschberger Kaufleute zeugen deren Grabkapellen um die Gnadenkirche. Die wiederum berichtet von Konfessionskonflikten- und kulturen: In den kriegswilden Zeiten auch nach dem Westfälischen Frieden kam es 1707 zu der Altranstädter Konvention zwischen dem schwedischen König Karl XII, der durch Schlesien marschierte, und dem Habsburger Kaiser Josef I. Der Kaiser gestattete darin den Protestanten „aus Gnade“ 6 Kirchen in Schlesien zu errichten, darunter eine in Hirschberg. Sie musste außerhalb der Stadtmauer gelegen sein, durfte keinen Turm besitzen und die Hirschberger Kaufleute mussten Tausende von Gulden an die Hofkasse und weitere „Dankgeschenke“ für Beamte aufbringen.
Die Kirche wurde dann von der Aussenarchitektur eine Kopie der Katharinenkirche in Stockholm als Referenz an den schwedischen Protestantismus. Innen verneigt sie sich notgedrungen auch vor der habsburgischen Macht. So findet sich am Altar das kaiserliche Wappen, und eine weibliche Figur hält das Kaiserzepter in den Händen. Kompromisse waren damals das Gebot der Stunde.
Wir spazieren durch die ganze Innenstadt, entdecken neben Barock- und Klassizismusbauten auch einige sehr schöne Jugendstilhäuser – und verschaffen uns einen guten Überblick von einem Aussichtsturm etwas außerhalb des Innenstadtbereichs.
Hirschberg ist einen Besuch wert. Und wer mehr erfahren will, findet dies in Herzig und Schmidt-Münzer: Das Hirschberger Tal einst und jetzt. Görlitz 2019.
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