Unsere erste Wanderung geht zur Burgruine Chojnik/Kynast, ganz in der Nähe unseres Schlosshotels Wernersdorf. Die Burg ist der Stammsitz der Grafen Schaffgotsch. Sie waren eins der ältesten Adelsgeschlechter der Region, hatten seit dem 14. Jahrhundert großen politischen Einfluß weit über das Tal hinaus und  gehörten zudem zu den größten Grundbesitzern der Gegend. Überall im Hirschberger Tal treffen wir auf den Namen Schaffgotsch – als Besitzer von Schlössern, als Stifter, auf Grabsteinen….

Es führen zwei Wege von Sobieszów zur Burg, die hoch oben auf einem Granitfelsen thront und weit im Tal sichtbar ist. Der eine ist ein bequemer Spazierweg, der fast durchgängig mit Natursteinen gepflastert ist und stetig bergauf geht. Der andere führt als Direttissima zwischen Felsenblöcken sehr steil zum Ziel. Wir gehen bequem hoch und steil herunter. Nicht zur Nachahmung empfohlen. So oder so: Es geht durch herrlichen Buchenwald. Den gibt es noch – dank Friedrich II, der das Abholzen der Wälder reglementierte.

Oben auf der Burg findet wir alles, was wir uns unter Ritterleben so vorstellen: Burghof und Brunnen, Staupsäule, Zisterne, einen Wehrturm mit herrlicher Aussicht und natürlich eine Sage. Es ist die vom Burgfräulein Kunigunde, das nur denjenigen heiraten wollte, der mit dem Pferd eine Runde auf der Burgmauer drehen konnte ohne abzustürzen. Was für einige Tote und Schwerverletzte sorgte! Derjenige, den sie als einzigen halbwegs passabel fand, den sie sich sozusagen als Ehemann vorstellen konnte und der die  verlangte Runde auf der Mauer auch ohne Mühe auf die Reihe bekam, der hatte sich nur einen bösen Scherz mit ihr erlaubt. Er wollte ihr gegen alle „anständigen Männer“ gerichtetes, aus der Rolle fallendes Verhalten bloßstellen und ist einfach davongeritten. Kunigunde hat sich daraufhin von den Burgzinnen in den Tod gestürzt.

Damit war klar, wo der Platz von Frauen und Mädchen ist. Wo kämen wir denn hin, wenn die Frauen sich verweigerten und ihr Leben selbst in die Hand nehmen wollten! Viel deutsche Dichter – von Bechstein über Theodor Körner bis zu Friedrich Rückert haben in ihren Märchensammlungen und Balladen dieses Frauenbild weitergegeben. Bis die Frauenrechtlerin Louise Otto-Peters in ihrem Gedicht „Auf dem Kynast“ bereits im19. Jahrhunderts eine andere Perspektive aufzeigte:

Und wo der andren Ritter Leichen lagen,
Da eilt ich selber mir das Grab zu betten –
Nun muß ich nächtlich umgehn noch und klagen
Und Flüche hören an den öden Stätten;
Und war es doch mein einziges Verbrechen,
Nicht ohne Lieb zur Sklavin mich zu machen! –
Das wollten nur die stolzen Männer rächen,
Das ist’s, was sie noch heut an mir verlachen!«

Das ist’s rief ich, das wird noch heut beschworen –
Wir sind ja nichts – sie sind die Herrn der Welt.
Es wird das Weib zur Sklavin nur geboren.
So heißt der Spruch, das Urteil ist gefällt.
Und weh dem Weibe, das sich kühn vermessen
Und wo es liebt, sich liebend zu ergeben,
Das nennt man thöricht nennt man pflichtvergessen,
Nie fehlt die Hand den ersten Stein zu heben.

Und weh dem Weibe, das sich kühn erhoben
Und frei nach einem andern Ziele strebt,
An einem andern Altar zu geloben
Ein höhres Fühlen, das sein Herz durchbebt.
Und weh dem Weibe, das mit festen Schritten
Sich ob der Knechtschaft Schranken stolz erhebt –
Ich weiß es, was ein solches Weib gelitten –
Ich weiß auch: nicht umsonst hat es gelebt.