Ein rundum schöner Wandertag zum Genießen, auch wenn es zwischendurch so aussah, als müsse ich hungrig schlafen gehen.

Von Herleshausen aus gehe ich erst eine längere Strecke auf hessischer Seite durch den Wald bergauf, das frisch geschlagene Holz verbreitet einen Duft, so dass man ganz tief einatmen möchte.  Oben angekommen, kann ich wieder einmal nicht genug bekommen von den Aussichten. Über Gerstenfelder hinweg – hier wird Bier gebraut! – geht der Blick bis zur Wartburg. Auf dem Weg liegen ein kleines Wasserschloss und eine Kirche aus dem 15. Jahrhundert. Es ist die erste Kirche, die ich offen vorfinde. Gott sei es gedankt, denn das  Kreuzgewölbe  und die Schlichtheit der Gesamtanlage berühren.

Auf einer Obstbaumallee laufe ich auf den Kolonnenweg, und damit auch auf die thüringische Seite zu.

Die Region zwischen Werra und Meissner,  in der ich momentan wandere, gehört zum Geo-Naturpark „Frau-Holle-Land“. Und an die Grimmschen Märchen erinnert diese Landschaft auch: Fachwerkdörfer, bewaldete Hügel, weite Wiesen, Storchennester, Teiche und Bäche. Mitten durch die Werra. Alles lieblich, ein wenig spießig – da, wo die Welt halt noch in Ordnung zu sein scheint.  Auf den ersten Blick – eben wie im Märchen.

Sauerkirschen, Süsskirschen – die frühen sind reif – , Äpfel, Pflaumen und Himbeeren. Mit diesen und den Kirschen genehmige ich mir ein zweites (Obst)Frühstück. Denn beim Hotel mit angeschlossener Metzgerei gab’s das natürlich nicht.

Ich kann es gebrauchen, denn vor mir liegen über 6 Kilometer Plattenweg, hoch auf über 400 Meter und dann in Serpentinen steil wieder runter. Links und rechts von mir ein Blütenmeer, in dem sich die Schmetterlinge tummeln. Anstrengend, aber herrlich!

Als der kleine thüringische Ort Ifta vor mir liegt, biege ich ab, um zu meiner Übernachtung zu kommen. Ein Ferienappartement in einer hochmodernen Anlage, in der ich mir den Schlüssel mittels eines Codes holen muss. Alles wunderbar, aber wo bekomme ich heute Abend etwas zu essen?

Ich rufe die einzige Gaststätte  in dem kleinen Fachwerkdörfchen an: Der „Rote Hirsch“ hat zu. Aber die Seniorchefin hat Erbarmen: „Lassen Sie mich überlegen. Ich habe Kartoffel und Eier und Salat. Wenn Ihnen das Recht ist, kommen Sie um 17 Uhr.“  Und wie recht mir das ist! Der Salat ist mit Stiefmüttterchen garniert, die Eier von den eigenen Hühnern, und die Bratkartöffelchen sind eine kulinarische Köstlichkeit.

Nebenbei erzählt die Wirtin von der Zeit kurz nach der Wende, als man die Häuser im Dorf im vormaligen Sperrgebiet endlich herrichten konnte. Aber auch, dass das „zusammen Bier trinken in der Gaststätte“ langsam aufhörte. Sie erzählt, wie sie nach der Wende in den Alpen Urlaub gemacht hat, aber jetzt lieber zuhause ist. Vor der Wende sei sie im Harz und einmal (!) an der Ostsee gewesen. Da habe man sich selbst versorgen müssen, denn das Mittagessen sei ungeniessbar gewesen. Was ich übrigens bestätigen kann.

Sie spricht vom „einfachen Bier“, das es zu DDR-Zeiten gab, und wie man versuchte, besseres zu bekommen.

Hier sitzt eine Frau vor mir, die 2 Systeme und eine Übergangsphase durchlebt hat, und die nie jemanden „im Regen stehen lassen würde“.

Übrigens hätte ich im „Roten Hirsch“ übernachten können, was aber nur die wissen, die auf dem Elisabeth-Weg pilgern.

Auch im evangelischen Pfarrhaus wäre ich noch untergekommen, wie mir ein Arbeiter der Kirchengemeinte sagt, als ich zum Abschluss die wunderbare Kirche von Ifta besichtige. Dort wird gerade alles herausgeputzt. Am Sonntag ist Konfirmation mit 5 Konfirmand:innen. Nicht schlecht für ein Dorf, das wenig über 1000 Einwohner hat.

Jetzt sitze ich auf der Terrasse meines hochmodernen, schicken Appartements.  Die Sonne steht noch immer hoch. Vor mir liegen Wiesen und Wald. Liebliche Hügellandschaft mit weißem Wachturm.

 

Frau-Holle-Land.

Morgen soll es regnen.