Reisen

Grenzsteine statt Wander-App

Immer am Wegesrand: Walderdbeeren

Früh am Sonntagmorgen über die Werra-Brücke. Ideales Wanderwetter. Meine App will auch nur werktags arbeiten, denn sie schickt mich einen Pfad hinauf, der kein Pfad ist, sondern eine durch Sturzbäche entstandene Rinne. Steil. Sehr steil. Plötzlich stehe ich in einem „deutschen Urwald“: dichtes grünes Blattwerk, feuchte Wärme und – ja wirklich! – ohrenbetäubendes Vogelgezwitscher.

…oder Heidelbeeren

Ich kehre um, Schrittchen für Schrittchen den glitschigen Abhang hinunter,  und finde bald den richtigen Weg hinauf zur Thüringer Hütte. Der ist auch noch steil, aber gangbar. Oben angekommen, ist die Sicht fantastisch. In früheren Zeiten kamen bestimmt viele Philippstaler hierher. Wenn sie schon nicht nach Vacha konnten, so doch wenigstens aus der Ferne schauen, was sich so tut.

Mannshoher Farn

Kurz vor der Thüringer Hütte

Heute bin ich auch zum ersten Mal nicht allein. Sonntagsspaziergängerinnen mit Hunden , Radfahrer, Joggerinnen, Wandergruppen. Auch mal zur Abwechslung ganz nett. Ein schöner Weg durch den Wald, aber für mich am interessantesten sind die vielen Grenzsteine. Klar, ich wandere weiterhin an der Grenze lang. Aber hier steht fast alle 100 Meter ein Stein. Der alte Grenzweg ist schon seit 786 bezeugt als Hoha Strazza.  Erst ab dem Hochmittelalter verlagerte sich der Verkehr ins Werratal.

Grenzstein – ausnahmsweise mal umgefallen.

Dank Grenzsteinen und Markierungen des Grünen Bandes brauche ich meine Wander-App heute also nicht. Sie kann Pause machen. Überhaupt: Das Grüne Band Thüringen ist erstaunlich gut gekennzeichnet. Das war vor 3 Jahren in Franken – Sachsen -Thüringen noch ganz anders.

Höhenwege, Panorama, Kuhweiden, steile Auf- und Abgänge, heute habe ich alles. Und natürlich auch den Monte Kali, den zweiten, den bei Heringen.

Diese Kälbchen einer „glücklichen Kuhfamilie“ waren unter dem Zaun hindurch ausgerissen.

Ich streife auf meinem Weg Gasterode, ehemals eine größere Ansammlung von Gehöften. 1952 wurde Gasterode Sperrgebiet. Alle Häuservon den Familien, die geflüchtet waren, wurden abgerissen. 1974 isolierte man die Dagebliebenen  mit einem elektrischen Zaun total von der Außenwelt. Nur eine Familie hielt durch.

Eine schlimme Geschichte aus einem wundervollen Tal.

Tal von Gasterode

Ich sehe Dankmarshausen, mein Etappenziel, schon in der Ferne. Ebenso höre und sehe ich ein nahendes Wärmegewitter. Sicher die Straße durch die Ortschaften nehmen  oder Kolonnenweg durch die Wiese? Ich wähle die sichere Variante und bin irgendwann an der Werra. Jetzt nach 20 Kilometern ziemlich erschöpft. Der Gasthof in Dankmarshausen, wo ich genüsslich eine Apfelsaftschorle trinken will, hat „geschlossene Gesellschaft“. Im einsetzenden Nieselregen muss ich nochmals 15 Minuten gehen. Aber dann bekomme ich zu trinken, eine Dusche, gutes Essen und ein Bett.

 

 

1 Kommentar

  1. Meine Leser

    Barbara, wie immer hohes Niveau beim Wandern, tolle Bilder und informative Texte zu unserer Geschichte. Schade, dass das Wetter nicht so mitspielt
    Dagmar und Dieter

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