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Point Alpha

Aug‘ in Aug‘: Links der Beobachtungsturm der Amerikaner, rechts der Führungsturm der ehemaligen DDR.

Point Alpha – außer Berlin ist das wohl der einzige Ort in Deutschland, an dem sich der „Kalte Krieg“ so deutlich manifestiert hat.

Hier standen sich die beiden konkurrierenden Systeme und Machtblöcke – der Warschauer Pakt und die NATO – bis 1990 gegenüber. Soldaten der US-Armee auf dem Turm des Observation Post Alpha auf Rasdorfer Seite und Grenzer der DDR auf dem Führungsturm auf Geisaer Seite wenige Meter voneinader entfernt, praktisch von Angesicht zu Angesicht.

Der Bundesgrenzschutz

Heute ist das gesamte Gelände – Grenzsicherungsanlagen, das „Haus auf der Grenze“ und das US-Camp eine hervorragend konzipierte Gedenk-, Erinnerungs- und Lernstätte, an der deutsch-deutsche Geschichte erlebbar wird. Authentische Orte, Zeitzeugenberichte, Berichte auch von US-Soldaten über das Leben im Camp, die alten Widerstandslieder der Friedensbewegung, die Möglichkeit zum eigenen „Story telling“ und, und, und.

Jugenderinnerungen werden wach:

An die Angst einer atomaren Auseinandersetzung, denn in meinem Heimatort Bruchmühlbach-Miesau in der Pfalz liegt im Miesau Army Depot das größte Munitionsdepot der US-Armee außerhalb der USA.

An den Rüstungswettlauf, das fragile „Gleichgewicht des Schreckens“, den NATO-Doppelbeschluss, die große Demonstration in Bonn dagegen, an die Menschenketten.

Aber auch der Alltag mit den Amerikanern kommt mir wieder in die Erinnerung, als ich in einer der Ausstellungen in den ehemaligen US-Baracken von den Versuchen gemeinsamer Sportfeste lese.

Hier in Point Alpha hat sich aber alles gebündelt wie in einem Brennglas. Es war der „heißeste Ort im Kalten Krieg“. Hier – so die geostrategischen Überlegungen der NATO, in der hessischen Rhön, wo Ost und West aufeinander treffen, am so genannten Fulda Gap, wäre die beste Möglichkeit für die Pakt-Staaten, in Westeuropa einzumarschieren. Hier könnte die Lage eskalieren, es womöglich zu einer atomaren Auseinandersetzung kommen.

„Eines Morgens brüllt der Radarmann ‚Alarm, Alarm‘ und meldet 50 ostdeutsche Grenzsoldaten direkt am Zaun. Unser Kommandant war kurz davor, die militärische Meldekette nach Fulda und Heidelberg auszulösen. Glücklicherweise löste sich der Rhöner Nebel auf, unten saßen nur große Hasen. Wir hatten gedacht, jetzt kommt der 3. Weltkrieg.“ Vern Croley, Platoon Searant. Zeitzeugenbericht.

Eindrücklich beschreibt Volker Bausch, Direktor der Point Alpha Stiftung, „als die Welt am Abgrund stand – und niemand es merkte“: Im September 1983 wurde bei einem Beobachtungspunkt in der Nähe von Moskau auf dem Kontrollschirm Alarm gemeldet: Eine Minuteman-Rakete ist aus den Vereinigten Staaten gestartet.  Eine zweite, dritte und vierte wird gemeldet, abgefeuert aus Montana. Vier Interkontinentalraketen, jede mit mehreren Atomsprengköpfen bestückt, auf dem Weg in Richtung Sowjetunion. Noch 20 Minuten Zeit.  Eine weitere Rakete startet. Es wird Raketenangriff gemeldet. Hat die atomare Apokalypse begonnen? Jetzt muss der sowjetische Gegenschlag erfolgen. Es war ein Oberstleutnant – Petrow– der eine Entscheidung trifft: Fehlalarm. Erst nach mehreren Minuten melden auch die Bodenradarstationen, dass keine Raketen im Anflug sind. (Detailliert in: Mira Keune, Volker Bausch: Point Alpha. Vom heißen Ort im Kalten Krieg zum Lernort der Geschichte. Anhang. Seiten 77ff. Point Alpha Stiftung 2019).

Angesichts aktuell weltweit wieder aufkommender Kriegsrhetorik, mehr noch, angesichts der Tatsache, dass immer häufiger Konflikte militärisch ausgetragen werden, ist diese Erinnerungs- und Bildungsstätte wichtiger denn je.

Ein Besuch lohnt – auch von Menschen, die nicht wandern.

1 Kommentar

  1. Meine Leser

    hallo barbara ich bin wieder sehr beeindruckt von deiner schreibe und den bildern .speziell auch als digitaler hinterwäldler . bei uns ist wieder alles im alltagsfluss. bei dir im haus und im garten ebenfalls. komm gut weiter mit spannenden erlebnissen und interessanten begegnungen

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