Genau eine Woche ist es her, dass ich mit jemandem zusammen – mit Marlis – zu Abend gegessen habe. Zeit, das zu ändern. In Bad Dürkheim sitze ich mit Dagmar, Dieter und einem Freund von beiden auf der Terrasse der Fronmühle (empfehlenswert) und geniessen pfälzische Spezialitäten. Morgen wandern wir zu dritt die 3. Weinsteigetappe nach Deidesheim.
Im Moment steckt mir allerdings noch die Etappe von von heute in den Beinen. Der Pfälzer Weinsteig ist doch etwas anderes als der Rheinterrassenweg. Sanft auf- und abschwingende Wege, meist auf der Höhe entlang, sind hier nicht mehr angesagt. Hier geht es richtig bergauf- und bergab, gerne auch mal auf kleinen Pfaden in Spitzkehren abwärts, die von Bikern so hergerichtet Worten sind, dass es für Wanderer ungemütlich wird.
Trotzdem wird ganz allmählich für mich die Natur heimeliger: Mischwald von Buchen, Birken, Eichen, Kiefern, Fichten , Lärchen, Kastanien – die ganze Viefalt eben. Farne und Heidekraut, weiche Waldwege, kleine Talschluchten, Buntsandsteinfelsen: Ich bin in der Pfalz!
Jedenfalls am Rand, dort wo in Zeitmillionen die Erde „eingebrochen“ ist, wo an der Bruchstelle ein einmaliges Stück Natur entstanden ist: sonnendurchflutete Rebenhänge, die bis an den Waldrand gehen, der durchzogen ist von tief eingeschnittenen Tälern und bis in die Spitzen bewaldeten Erhebungen. Durch diese Landschaft führt der Pfälzer Weinsteig. Man steigt am frühen Morgen durch die Weinberge auf und wandert dann durch schattenspendenden Wald, nicht düster, sondern grün wie im Frühling, weil das Sonnenlicht auf den Blättern glitzert.
Genug der Schwärmerei.
Heut morgen bin ich im Rebenland aufgebrochen, ganz schön früh und ohne Frühstück, weil die Winzerwirtin so flexibel denn doch nicht war, um mir um 7:00 wenigstens einen Kaffee hinzustellen. Ich steige durch die Treppengässchen des noch schlafende Neuleiningen, ins Tal, dann wieder auf, bis ich an den Waldsaum komme (siehe oben).
Alles kommt mir sehr bekannt vor, weil ich diese Wege schon mit Hubert gegangen bin.
Battenberg mit seiner Burgruine ist nach einem relativ steilen Anstieg erreicht. Die „Blitzröhren“, ungezählte Löcher im Bundsandstein, irgendwie eine geologische Besonderheit, wegen der ich beim letzten Mal schon unter Lebensgefahr eine S-Kurve auf der Landstraße ohne Gehweg überquert habe, spare ich mir. Ich bin jetzt allein und muss auf mich aufpassen. Durch Battenberg durch, wo ich keinen Bäcker finde: „Hier gibt’s nur 3 Winzer!“ Das kann ja heiter werden! Langsam meldet sich der leere Magen. Aber der Weg dann auf den weichen Waldwegen, immer auf und ab am steilen Uferhang des Krumbachtals entlang, lenkt ab. Es ist absolut still. Im Bannwald – oder kurz davor – weitet sich der Blick und ich schaue auf einer Lichtung ins Tal.
Ein verwittertes Kreuz am Wegrand erzählt die tragische Geschichte eines Försters, der an dieser Stelle erschossen worden ist: Es gibt 3 Varianten, wieso und warum der „unbescholtene“ Mann um die Ecke gebracht worden sein soll. Kurz gefasst: Variation 1: Er hatte eine zu schöne Frau, auf die ein anderer sein Auge geworfen hatte. Variation 2: der Försterlehrling, der im Rollenspiel“ den finalen Schuss auf das Wildschwein üben sollte – wobei der Förster der Keiler war – hatte scharfe Munition im Gewehr. Variante 3: Schmuggler. Der Vorfall gehört zu den ungeklärten Mordfällen.
Beim Abzweig zum Ungeheuer-See diskutiere ich einige Minuten mit mir, ob ich die 800 Meter runter und wieder hoch laufe oder meine Energie spare (Mittlerweile habe ich mir doch eine kleine Blase eingehandelt). Ich entscheide mich für den Abstieg und werde nicht enttäuscht: Der See liegt eher wie ein zahmes Tier denn ein Ungeheuer in der Morgensonne. Enten schwimmen an gewaltigen Seerosenblättern vorbei, Libellen schwirren – und dann kommen die Japaner.
Zwei ältere Ehepaare. DIE Gelegenheit, etwas gegen meinen knurrenden Magen zu tun. Als ich mit Hubert hier an einem Wochenende war, war hier Remmidemmi. Und natürlich war die Hütte des Pfälzerwald-Vereins geöffnet, die jetzt an einem Wochentag geschlossen ist. Nur die Japaner können mir noch weiterhelfen. Sie bieten mir auch sofort geschnittene Pfirsichstückchen und Schokolade an. Was ich dankbar annehme. Mein Versuch englisch zu sprechen, wird von einem von ihnen, der hier lebt, unterbrochen: „Meine Freunde sind zu Besuch hier. Sie sprechen nur Japanisch. Ich übersetze.“ Ich denke an Julia: „Japanisch ist Weltsprache“.
Mit neuer Energie gehe ich den Hang bergauf wieder 800 m hoch. Komisch, vor ein paar Jahren, mit Hubert, war ich außer Puste. Jetzt geht es gut. Mit Rucksack. Klar, nach einer Woche Wandern!
Die Lindenmühle hat geöffnet. Gott sei Dank! Die sechs Kilometer bis Bad Dürkheim wären sonst eine Fastenwanderung geworden. Ich esse „Grumbeere mit Weißem Käs“, die Kartoffeln ungepellt geviertelt, das Messerchen daneben, zum Quark Zwiwelcher. Ein Genuss. Zum Bismarckturm hoch, der geschlossen ist ( wird vom Verein auch nur am Wochenende betrieben; hatte dort mit Hubert selbstgebackenen Kuchen gegessen, Nickerchen im Gras.
Dann geht es eigentlich nur noch – mit einigen kleinen Anstiegen – bergab. Vorbei am Teufelstein und an der Heidenmauer – ein keltischer Wall, den ich fast übersehen hätte, weil nirgendwo ein Hinweisschild war. Apropos: Der Weinsteig hat Note 1 mit Sternchen verdient, was die Markierungen betrifft. Immer wenn ich dachte, jetzt könnte mal wieder ein Zeichen kommen, tauchte eins auf. Mit Informationstafeln haben es die Pfälzer weniger. Kultur ist ja auch nicht alles. Hauptsache ankommen und „gut gess un getrunk“.
Kriemhilds Stuhl war schon bei der ersten Wanderung mit Hubert beeindruckend. Tatsächlich sieht der Steinbruch, aus dem bereits die Römer den bunten – hier hellen – Sandstein gebrochen haben, wie ein überdimensionierter Thron aus.
Es geht abwärts auf schmalen Pfaden und in engen Kehren. Der Weg zum Merkure-Hotel zieht sich. Aber dort – Luxus: Das Hotel hat einen direkten Zugang zum öffentlichen Schwimmbad, Solebecken inklusive. Das Bad tut dem Körper gut. Der Seele tut es gut, dass ich in der Fronmühle an den Salinen dann Dagmar und Dieter treffe.
Ich schlafe sehr gut. Vielleicht auch wegen der guten Luft aus den Salinen direkt gegenüber meinem Balkon.
Hallo Barbara, toll Deine Berichte, die ich inzwischen alle verfolgt habe. Ich beneide Dich um diese wunderschöne Wanderung, um die vielen Eindrücke, die man zu Fuß doch wesentlich intensiver aufnimmt als mit einem Verkehrsmittel. Schön, dass Du uns daran teilnehmen lässt ! Für die kommenden Tage wünsche ich Dir, dass alles so klappt, wie Du es Dir vorgestellt hast und: mach weiter so ! Liebe Grüße, Roswitha
Man wandert und lebt förmlich mit. Toller emotionaler Bericht. Danke dafür!