„Bananenrepublik“ nennen wir Europäer despektierlich ein meist afrikanisches oder südamerikanisches Land, wenn es durch Misswirtschaft, ständige Putsche, Gewalt und Korruption in den Schlagzeilen ist. Dabei vergessen wir nur allzu gern, dass wir Europäer es waren, die durch die so genannte „Kolonisation“, durch Gewaltherrschaft, Ausbeutung und Versklavung, durch In-Besitz-nehmen, durch willkürliche Grenzziehungen (z.B. bei der Kongo-Konferenz oder dem Helgoland-Sansibar-Vertrag) diejenigen waren, die den Grundstein gelegt hatten für die zukünftigen Entwicklungen. Und damit nicht genug: Auch nach der Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien haben die Industrieländer die wirtschaftliche Abhängigkeit und Ausbeutung u.a. durch Großkonzerne verstärkt fortgesetzt. Die afrikanischen Ländern wurden zum Spielball der westlichen Mächte, Stellvertreterkriege wurden und werden ausgetragen.
Natürlich ist die Situation viel zu komplex, als dass man sie in einem Satz auf den Punkt bringen könnte. Und die Verwicklungen der regierenden Klasse in manchem afrikanischen Staat, das Klammern an Macht und Vermögen, manchmal die Unterdrückung und Ermordung des eigenen Volkes, die Entführung so vieler Kinder, um sie als „Kindersoldaten“ zu missbrauchen, all das muss ebenso klar benannt werden. „ Ich bin durch Gewalt an die Macht gekommen, ich werde nur durch Gewalt von der Macht vertrieben werden können“ soll Museveni, der ugandische Präsident, einmal gesagt haben. Es ist die alte Warnung von Paolo Freire, dass die „neuen“ Machthaber nicht die gleiche Haltung und das gleiche Verhalten wie ihre ehemaligen Unterdrücker annehmen dürften. Sonst würden aus den Unterdrückten wieder Unterdrücker.
Wir sind in Uganda nicht nur durch Parks gefahren und haben Tiere beobachtet. Wir haben auch ab und an Zeitung gelesen – den „Daily Monitor“, die wichtigste Zeitung mit regierungskritischer Haltung, deren Redakteure immer wieder verhaftet werden. Wir haben auch mit kritisch eingestellten Menschen gesprochen, die das Land trotz der widrigen Verhältnisse lieben, und wir haben einfach nur beobachtet.
Ich kann hier nur ein paar Eindrücke wiedergeben, nach 3 Wochen ist seriös nicht mehr möglich.
„ How can the nation survive, if the tribe does not die?“ (Sandra Machel, Mozambique)
Als der damalige Freiheitskämpfer Museveni mit der NRA (National Resistance Army) an die Macht kam und die Gewaltherrschaft Obotes beendete, wurde er im Süden und Westen des Landes bejubelt. Er bildete eine Regierung über alle ethnischen, politischen und religiösen Machtgrenzen hinweg, betrieb eine Politik der Nationalen Aussöhnung, leitete einen Demokratierungsprozess ein, führte halbwegs Pressefreiheit ein und eine ordentliche Gerichtsbarkeit. Sein Ziel: Er wollte eine Nation formen. Die Wirtschaft des Landes wuchs.
Der Westen goutierte das. Allerdings hatte Uganda bis 2005 eine „ Einparteien“-Demokratie, innerhalb derer sich mehrere „Movements“ zur Wahl stellten.
1993 machte Museveni einen geschickten Schachzug, indem er die alten Königreiche wieder aufleben ließ, und den Sohn von Mutesi II aus dem Exil in London zurückholte. Uganda bestand in vorkolonialer Zeit aus mehreren Königreichen, vielen „tribes“ und Ethnien, die auch gegenseitig Machtkämpfe ausgetragen hatten.( Das kennen wir ja auch aus der deutschen Geschichte).
Die neuen alten Könige haben keine formale politische Macht, aber sie sind identitätsstiftend und knüpfen an an die Zeit vor dem Kolonialismus. Gleichzeitig liegt hier das Problem: Wie kann sich eine Nation entwickeln, wenn die Identifizierung der Menschen über die Tribes erfolgt?
Dazu kommt, dass die jeweiligen Machthaber selbst ihre Herkunft hochhalten: Idi Amin war aus dem Norden, und so flossen Ressourcen dorthin. Unter Museveni brachen kurz nach seiner Machtübernahme im Norden Machtkämpfe aus. Heute ist der Norden – trotz aller anfänglich bestimmt guten Versöhnungsabsichten des Präsidenten, der Bugander ist (Kampala), der ärmste Landstrich.
Mein erster Eindruck ist, dass es eine zentrale Herausforderung ist, die Nation Uganda zu schaffen, im Bewusstein ihrer Wurzeln, in der Verarbeitung der kolonialen Zeit sowie den gewaltsamen Konflikten und Tyranneien unter Obote und Idi Amin.
Wenn die Alten Männer nicht von der Macht lassen wollen
Heute ist Musoweni nicht bereit von der Macht zu lassen. Auch die Wahlen 2021 wird er wohl gewinnen, obwohl in Kampala selbst ein großer Teil der Menschen, so berichten kritische Stimmen, gegen eine Wiederwahl ist..
Wahlmanipulationen habe es schon bei der letzten Wahl gegeben. Man habe Menschen aus Ruanda mit falschen Identitäten versorgt und sie in Lastwagen zu den Wahllokalen gefahren.
Der „Daily Monitor“ hat am 4. Februar ein großes Interview mit Derrik Wandera geführt, der derzeit eine „Aliance for Transformation“ gründet und auch die Oppositionsparteien einen will. Auf die Frage, ob es 2021 freie und faire Wahlen geben wird, antwortet er: „ No, we won’t have. I am not one of those people that have such illusions. It cannot happen and we know it“.
Dazu kommt das Thema „Wahlgeschenke“, auf das immer mal wieder die Rede kommt. Die Distrikte, die mehrheitlich Museveni gewählt hätten, bekämen z.B. die besseren Infrastruktur.
Der Star unter den Oppositionellen ist der Musiker Boni Wine, der wg. seiner Haltung bereits im Gefängnis saß. Er wird wohl kandidieren, aber einige zweifeln an seiner politischen Erfahrung.
Evangelikale und die Verfolgung von Schwulen und Lesben
Wenn man durch die Straßen von Kampala geht, trifft man immer wieder auf Prediger, die mal mit, mal ohne Mikro, das „nahe Reich Gottes“ beschwören oder laut aus der Bibel lesen. Die evangelikalen Sekten haben einen enormen Zulauf. Auch die Gattin Musevenis (und Ministerin für Erziehung!!) gehört dazu. Mit ihnen einher geht die Verteufelung der Homosexualität. Schwule und Lesben leben in Uganda gefährlich, a „hidden life“. Während in der Millionenstadt Kampala dieses Versteckspiel noch halbwegs funktioniert, ist es auf dem Land unmöglich. Dort versteht man einfach nicht, dass es eine andere Beziehung als die zwischen Mann und Frau geben kann. Woher auch, wenn der Mann die Frau für eine bestimmte Anzahl Ziegen kauft.
Von der Armut und der Korruption
Das Gros der Ugander ist arm. Während aber auf dem Land die Erde genügend hergibt, damit die Menschen ihre Nahrung selbst anbauen und ernten können, sieht es in und um die Städte ganz anders aus. Ein Beispiel: Der junge Mann, der im Verkehrschaos in Kampala wie viele andere zwischen den Autos seine Klopapierrollen verkaufen will, hat die Großpackung (10 Rollen) für 10.000 Uganda-Shilling gekauft. Maximal verdient er damit 2.000, etwa 50 Cent. „Das reicht grade mal, um nicht zu verhungern“, sagt unser Fahrer.
Viele verdienen nicht mehr als einen Dollar am Tag, die Polizei wird sehr schlecht bezahlt, und da ist es kein Wunder, dass die Korruption blüht. Dabei sind das nur die kleinen Fische. Im „Daily Monitor“ lese ich z.B. von Menschen, die anderen ganze Grundstücke „weggenommen“ haben.
Auch wenn die Regierung eine Kampagne gegen Korruption gestartet hat – auf unserer Reise haben wir ein einziges Plakat gesehen – scheint der Erfolg auf sich warten zu lassen: „ Der Fisch stinkt vom Kopf her“, sagt uns jemand.
Wohlgemerkt: Es gibt auch viele Ugander, denen es gut geht und die den Fotos auf den großen Werbeplakaten mit den prall gefüllten Einkaufswagen aus dem Supermarkt gleichen.
Das Bevölkerungswachstum
Wie auch in Ruanda sieht man in Uganda wenige ältere Menschen. Kinder und Jugendliche beherrschen das Straßenbild. Kein Wunder bei 6,6 Kindern pro Frau (Platz 2 weltweit). Das Bildungssystem reicht dafür nicht aus. Wenn ich richtig gelesen habe, wird der Bildungsetat derzeit sogar zurückgeschraubt, weil internationale Projekte ausgelaufen sind.
Hinzu kommt, dass viele Schulen zusätzlich zu den Schulgebühren weitere Beiträge für zusätzliche Anschaffungen verlangen.
Tourismus
Es hat immer gute Ansätze von touristischer Entwicklung seit den 90er Jahren gegeben. Allerdings wurden Sie mehrmals wieder gestoppt durch Überfälle und Entführungen von Reisenden. Derzeit ist „Uganda im Kommen“. Das Landschaften sind spektakulär, die Parks außerordentlich, die Menschen sind überaus hilfsbereit, überall gibt es sehr gute Lodges. Lediglich die Straßen sind eine Herausforderung. Man wird sehen, wie die weitere Entwicklung aussieht, wenn die Pipeline durch den Murchison-Park gebaut wird. An den Parks hängen viele Arbeitsplätze, direkt und indirekt. Es bleibt zu wünschen, dass dieser Wirtschaftszweig wächst.
Uganda, eine Bananenrepublik? Landwirtschaftlich gesehen bestimmt. Denn noch nie habe ich so viele Bananenplantagen gesehen.
Politisch gesehen ist es ein Land im Transformationsprozess, das seine Identität sucht. Auch wenn Museweni 2021 wiedergewählt wird, hat seine Ära den Zenit überschritten. Und was kommt dann?
Wie oben geschrieben: Das sind meine ersten Eindrücke.
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