Es gibt Orte, an die ich gerne noch einmal im Leben zurück kommen möchte: die Lodge ganz oben auf dem Waterberg ist so ein Platz oder die Almhütte am Meraner Höhenweg. In der Erinnerung wird die Casa Wilson in Zapallar bestimmt auch zu solch einem Ort werden.
Wir sind mit einem Mietwagen an den Pazifik gefahren. Die Fahrt raus aus Santiago war zuerst ein wenig schwierig: Wir hatten das Navi nicht richtig eingestellt, und ich musste mich auch erst daran gewöhnen, dass von 4 Spuren zwei zumeist nur für Busse und Taxis vorgesehen sind.
Aber dann hat alles geklappt, und wir waren zügig auf der Route 5 unterwegs hinunter zum Pazifik.Zapallar liegt nördlich von Valparaíso und ist von den Badeorten dort DER Platz, an dem die „bestimmenden Familien“ (Reiseführer) des Landes Urlaub machen. Wir auch.
Ein Chilene hatte am Ende des 19. Jahrhunderts – zurück von einer Europareise – mal einfach so die Idee, die Riviera an den Pazifik zu bringen und den Ort an einer kleinen Bucht „gegründet“. Die luxuriösen Häuser, die in den steilen Hang gebaut sind, folgen keiner Stilrichtung: Bauhaus, Hypermoderne, Jugendstil, Schweizerhaus ( mit Schnitzereien!!) und bayerischer Stil. DIe Gartenanlagen mit den farbenprächtigen Pflanzen – Bougainvillea, Hortensien, Geranien….- die hohen Nadelbäume mögen vielleicht einen gewissen Vergleich mit französischen Badeorten aufkommen lassen, aber das war es denn auch schon.
Die wilde Brandung, die an die Granitküste donnert, die Gischt, die meterhoch aufspritzt, das Geräusch der rollenden Steine, die von der Kraft des Ozeans bewegt werden, die Pelikane, Möwen, Geier und Kormorane – das alles hat nicht viel zu tun mit der Riviera. Das atmet seinen ganz eigenen Geist.
Und dann die Casa Wilson. Gebaut wurde sie von einem Sohn deutscher Einwanderer 1905 – Carlos Werner Richter. Der Großvater des jetzigen Besitzers hat sie gekauft. Heute ist das Haus mehr ein Museum als ein Hotel. Die Gäste leben zusammen mit dem Eigentümer – Polospieler wie schon sein Vater – in dem Interieur von damals. Gefrühstückt wird an einer großen Tafel vor einem Kamin. Die Räume sind vollgepackt mit Erinnerungen. Gemälde, Wandteppiche, ein Klavier aus Berlin, Kuckucksuhren, Chippendalemöbel, chinesische Vasen, alte Fotos der Familie und bestimmt weit über 50 Pokale von Poloturnieren aus aller Welt.
Auch die Gästezimmer sind mit den alten Möbelstücken ausgestattet. Das Haus, mit Holzschindeln gedeckt, hat einen morbiden Charme, es müffelt überall ein wenig feucht – aber es ist einfach unvergleichlich (obwohl es wohl kleinen deutschen Standards entsprechen würde).
Im baumbestandenen Terrassengarten, der sich bis zum Meer hinunterzieht, gibt es eine Unzahl an Eckchen und Sitzgelegenheiten, in die Jahre gekommene Liegen, Mäuerchen, Grillpätze.
Man sitzt hier, blickt über die Bucht hinaus aufs Meer, beobachtet die Brandung, die Pelikane, wie sie mit elegantem Flügelschlag über das Wasser gleiten, sieht die Angler auf den Granitfelsen, die Fischer, die in ihren Booten hinausrudern, die Kinder, die sich am kleinen Sandstrand in die Wellen werfen – und ist verliebt in diesen Platz.
Gegenüber erhebt sich ein kleiner Hügel auf einer Halbinsel, zu dessen Spitze ein Weg führt. Alle Arten von Sukkulenten und Kakteen wachsen dort. Ein von der Natur gestalteter Kakteengarten.
Ein Spaziergang auf der „Strandpromenade“ um die Bucht herum, über Granitfelsen, mal schwarz, mal graubraun, mal rötlich, kann stundenlang dauern, weil man ständig stehenbleibt, staunt und schaut. Die Urgewalt des Ozeans – hier wird sie erfahrbar.
Und dann ist da noch das Restaurant unterhalb der Casa, direkt am Meer. Ganz frische Meeresfrüchte, Fisch, Salate, guter chilenischer Weißwein und einen Pisco sour als Aperitif.
Die letzten Tage in Chile.
Morgen fahren wir über Valparaiso nach Santiago zurück. Und dann nach Deutschland.
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