Wir sind am Ende der Welt. Das geht im 21. Jahrhundert ganz schnell. Mit dem Flieger von der Atacama im Norden Chiles nach Santiago – wo wir einen gemütlichen Grillabend mit der Familie hatten und am nächsten Tag noch Zeit genug war, um Nerudas Haus zu besuchen (mehr davon in einem anderen Blog) – und dann weiter mit dem Flieger nach Punta Areas, einer der südlichsten Städte der Welt. Von einem Extrem zum andern. Von der Wüste in die Steppe. Auf der Busfahrt vom Flughafen ins 19 Kilometer entfernte Punta Arenas, bekomme ich einen ersten Eindruck: linkerhand die Magellanstrasse – ein Sehnsuchtsort meiner Kindheit – rechterhand unendliches Weideland für Schafe. Die Lupinien blühen, Margeritenwiesen und Kamillebüsche, Pinien. Bunte Häuser wie in Schweden. Nein, bunter, denn die Dächer sind auch farbig: grellgrün, mint, blau, rot, kanariengelb.
Bei näherem Hinsehen ist es aber keine Holzfassade wie in Schweden, sondern verzinktes Blech, das vor dem Wind schützt.

Zum Staunen ist dann wahrlich die Innenstadt: Prunkvolle Villen, kleine Chateaus, prächtige Bürgerhäuser, Pinienalleen. Europäische Architektur wie man sie von Wiesbaden oder von den Elbhängen her kennt. Dabei war diese unwirtliche Gegend an der Magellanstrasse Mitte des 19. Jahrhunderts noch der Ort, an den Schwerverbrecher hingebracht wurden. Aber in den letzten 2 Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts kamen Einwanderer aus England, Kroatien, Portugal und Dalmatien und nahmen sich das Land mit Duldung der chilenischen Regierung.

Was die Salpeterbarone für de Norden Chiles waren, wurden die Schafbarone für den Süden. Es entstanden riesige Haciendas in Magellanes und auf Feuerland, und ihren Reichtum stellten die „Neureichen“ in Punto Arenas zur Schau. Als dann noch die Kunde von Goldvorkommen in Feuerland kam, rollte die Einwanderungswelle noch schneller.

Gleichzeitg bedeutete das den Tod der Stämme der Selk’nam, nomadisierender Jäger. Die neuen Landbesitzer jagten und töteten sie systematisch. Die Regierung ließ sie gewähren. Es wurden Kopfprämien ausgesetzt. Es war ein Genozid an einem Volk, das dieses Land lange vor den „Landnehmern“ besiedelt hatte.
Zurück in die Gegenwart: heute ist Punto Arenas eine lebendige Stadt, die vom Tourismus (auch Kreuzfahrtschiffe) lebt. Wir essen in einem der zahlreichen Restaurants und übernachten im stylischen Aparthotel Endurance, dessen Inneneinrichtung aus Holz von gekelterten Schiffen besteht.
Am nächsten Tag geht es auf „chilenische Safari“ – mit dem Schiff zu Pinguinen, Seelöwen und Kormoranen.

Musste sein: Pisco Amour (Trester mit Zitronensaft), das chilenische Nationalgetränk.