Es gurgelt und zischt, brodelt und dampft aus der Erde. Die Morgendämmerung taucht die Landschaft in ein sepiafarbenes Licht. Die Luft ist kalt und klar. Denkt man sich die Touristen weg, könnte es der Eingang zu Dantes Inferno sein. Wir sind auf 4.230 Meter Höhe im Krater der Tatio Geysire. El Tatio kommt aus der Quetscha-Sprache und heißt „der Mann, der weint“. Tatsächlich weint er viele Tränen aus vielen Augen: Geysire spucken in die Höhe, Schlammlöcher brodeln, Fumarole stossen giftig gelben Dampf aus, den ganzen Krater durchziehen kleine Rinnsale.

Um dieses Naturereignis zu erleben, müssen wir um 4 Uhr in der Nacht losfahren. Denn am frühen Morgen, wenn es noch unter 0 Grad ist, ist das Spektakel am stärksten. Der Bus eines Tourveranstalters holt uns an unserer Lodge ab. Die Strasse geht steil in Serpentinen nach oben und vielleicht ist es ganz gut, dass es dunkel ist. Manchmal werfe ich einen Blick aus dem Fenster. Der Weg ähnelt teilweise der Strasse hoch nach La Paz, der gefährlichsten Route der Welt. Gott sei Dank haben wir keinen Gegenverkehr. Dafür sind wir aber nicht allein unterwegs. Wie eine Karawane ziehen kleinere und grössere Tourbusse, Pickups, Range Rovers und Limousinen den Berg hinauf. Fast schon oben, stoppt der Verkehr. Ein auf dem Dach liegendes Auto, das sich überschlagen hat. Alle nachkommenden Autos fahren seitlich an der Unfallstelle vorbei. Wie wir später am Tag hören, sind die Insassen unbeschadet davon gekommen.
Auf der Höhe geht es auf einer Wellblechpiste weiter. Ich denke wieder einmal an Afrika. Mit Hubert bin ich manchmal stundenlang auf diesen ungeteerten Ruckelstrassen unterwegs gewesen.
Im Krater muss ich mich erst an die vielen Menschen gewöhnen, die in dicken Winterjacken, Mützen und Handschuhen auf den vorgegebenen Wegen des Naturparks unterwegs sind. Alles ist hier streng geregelt. Es gab wohl schon einige Unfälle mit schweren Verbrennungen.
Nicht verbrannt hat sich meine Schwägerin, die in ein grosses Naturbecken mit dem warmen Wasser aus der Tiefe steigt. Ich kann mich nicht dazu entschließen und laufe noch ein wenig, vorbei an Schlammlöchern und Geysiren. Auf welch dünner Kruste wir uns doch bewegen!

Die Fahrt weiter führt durch Sand- und Steinwüste. Riesige rote Steine, manchmal wild „übereinander gestapelt“, erinnern an den Sinai.
Aus dem Bus sichten wir einen Wüstenfuchs. Vincunas und Flamingos suchen in kleinen Lagunen Futter. Was wir zuerst als Möwen identifizieren (und uns natürlich wundern) ist tatsächlich die in den Anden lebende Gaviota Andina, die es nur noch in einer sehr kleinen Population gibt.

Viel Leben also in diesem Teil der Wüste. Am Nachmittag werden wir eine andere Einöde kennenlernen.