Eine Schafherde pflegt das Grüne Band

Pünktlich morgens um 8:00 Uhr fährt uns unsere Schlossherrin zum Startpunkt der heutigen Etappe: Ullitz, ein Weiler, der ehemals Grenzübergang mit Schlagbaum war. Bei herrlichem Sonnenschein wandern wir durchs „Himmelreich“ am Grünen Band, Feuchtwiesen und kleine Waldstücke, alle Arten von Schmetterlingen. Aber im Paradies gibt es auch verbiesterte Teufelchen: Bremsen und Schnaken, die sich bei diesen feucht-warmen Temperaturen anscheinend sehr wohl fühlen. Selbst Mückenspray für die Tropen ist zwecklos.
Und dann wird das Grüne Band plötzlich durch die A 72 zerschnitten. Wir müssen den Kolonnenweg verlassen, um nicht „unter die Räder zu kommen“, und über einen Wiesenweg bis zu einer Unterführung gehen. Vor uns die Kapelle St. Clara von Heinersgrün.

Kein Weiterkommen: Grenze Autobahn

Dann braucht es doch schon einigen Orientierungssinn, um wieder aufs Grüne Band zu gelangen. Es gelingt dank des Bauchgefühls und der Kartenlesekunst meiner Freundin. Immer noch ist uns keine Menschenseele begegnet. Dabei ist es doch eine ideale Wandergegend. Teiche, Schilf, ein blühendes Meer von Heilzist – und aus weiter Entfernung beobachten uns ein paar Rehe.


Abwechslung bieten wir auch einer Herde Schafe. Sie gehören zum Schäfer Michael Ulsamer, der mit ihnen das Grüne Band Sachsen freihält.
Überhaupt ist das ganze sächsische Grüne Band erstklassig gepflegt. Hut ab vor so viel Engagement!
Es ist mittlerweile sehr heiß geworden. Langsam verändert sich die Landschaft: Weite Getreidefelder und Windräder. Wir kommen zum Drei-Freistaaten-Stein. (Diese Wort kann man nur in ganz nüchternem Zustand aussprechen.)
Hier einigten sich 1840 die Königreiche Bayern und Sachsen sowie das Herzogtum Reuss auf einen Grenzverlauf. Die drei Freistaaten sind Thüringen, Sachsen und Bayern. Die Grenzen waren Verwaltungsgrenzen. Für die Menschen, die hier lebten, spielten sie keine Rolle. Bis nach dem Krieg.


An der Grenzmarkierung verlassen wir Sachsen, um in Thüringen weiter zu gehen. Allerdings fehlt hier das Grüne Band.
Es sind schweißtreibende Kilometer nach Mödlareuth am Thannbach, jenes Dorf, in dem sich die innerdeutsche Teilung so eindrücklich manifestiert hat. Die Mauer ging durch ein Dorf. Im Mikrokosmos wirkt alles noch beklemmender. „Klein-Berlin“ wurde der Ort genannt, dessen eine Hälfte in der amerikanischen Besatzungszone lag (Bayern) die andere in der russischen (Thüringen). Wie gesagt, diese Grenzen störten jahrhundertelang keinen Menschen…


Wir laufen die Straße bergab nach Mödlareuth und essen dort im „ Grenzgänger“-Gasthof (ehemals Osten) selbstgemachten Kuchen. Er ist ebenso wie der Kaffee ein Genuss.
Auf einen Anruf im Festnetz hin – Mödlaruth ist ein „Tal der Ahnungslosen“  fürs mobile Netz  – werden wir von einer Frau aus dem benachbarten Töpen (Bayern) abgeholt und zu unserem reservierten Hotel gebracht.
Leider gibt’s hier – wie gestern – auch nur Kleinigkeiten zu essen. Wir entscheiden uns, nochmal 2 Kilometer zurück nach Töpen zu einem Italiener zu laufen (leichtes Training zum Auslaufen!). 27 Kilometer sind dann aber genug für heute. Die nette Bedienung fährt uns nach Pizza, Penne, Pino Grigio und Grappa, ins Hotel zurück.
In der Nacht gibt’s einen Witterungsumschwung. 20 Grad weniger und Regen!