Am frühen Samstag morgen trennen sich die Wege von Marlis und mir. Ich gehe Richtung Guntersblum, Marlis fährt mit dem Zug zurück nach Berlin.

Vorher frühstücken wir aber nochmal ausgiebig und wirklich vorzüglich im Hotel Merian.

Es war schön mit dir, liebe Marlis. Es hat Freude gemacht. Und ich kann jetzt auch WhatsApp.

Über die Krämerstrasse komme ich schnell auf meinen Weg. Ein letzer Blick zurück zur Katharinenkirche, dann liegen die Weinterassen vor mir. Sie sind  hier besonders gut sichtbar. In unterschiedlichen Höhen gibt es parallele Wege. Einmal steige ich auf dem Hang eine ‚Ebene‘ höher: So habe ich noch eine bessere Aussicht.

Die Rheinebene wird immer weiter, das eigentliche  Flussbett ist fast außer Sichtweite. In der Ferne der Odenwald. Ich bin ganz allein unterwegs. Kein Mensch begegnet mir. Nur ein Feldhase schlägt sofort Haken, als ich näher komme

Die Brombeeren sind hier reif, die Mirabellen auch,  es gibt Nussbäume ohne Zahl,  Kirsch- und Mandelbäume.

Dann irritiert mich ein funkelnagelneues Wegzeichen, das erst kürzlich angebracht worden sein kann : Lutherweg . Ein neuer Pilgerweg! Später  erfahre ich, dass der Weg die Reise des Reformators von der Fähre in Nierstein bis nach Worms abbildet. Na, dann!

Bald sehe ich Ludwigshöhe unter mir. Nicht das an der Haardt, das ist noch weit entfernt. Aber Guntersblum ist bereits nah – und dabei ist es erst Vormittag!

Bald liegt eine meterhohe Löss-Abbruchkante vor mir und eine Streuobstwiese an der Sasselbach mit Speierlingsbäumen. Wie ich auf den Infotafeln lese, ist die Baumart sehr selten, hat sehr hartes Holz und wird zum Kelterbau verwendet. Tja, lesen bildet!

Eine gemauerte Quelle lädt zu Rast ein.

Der Vögelsgärtenbrunnen hiess früher mal Victorsquelle nach einem Heiligen und wurde dann im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte zuerst zur Vichel- und später zur Fechel-Quelle  (rhoihessisch für Vögel ). Zur Vogelsquelle nach Vogelbach ist es jetzt nur noch einen „Katzensprung“von 13 Tagen!

Durch einen wunderschönen Hohlweg, wie er typisch für Rheinhessen ist, laufe ich auf Guntersblum zu. Und staune dort über eine wunderliche Kirche mit orientalischem Flair. Nein keine Moschee. Die Architektur der Sarazenenturm- oder Heidenturmkirchen mit zwei Türmen, streng geometrisch und mit achteckigen (!) Aufbauten haben Kreuzritter um die erste Jahrtausendwende nach Rheinhessen gebracht. Einer der Türme ist noch von 1100,  der andere wurde im 30jährigen Krieg zerstört und später rekonstruiert.

Es gibt noch 3 weitere solcher Kirchen in der Gegend.

Ich schlendere durch Guntersblum. Samstagnachmittag in Rheinhessen. Wochenende. Ab und zu werkelt jemand am Haus oder wäscht das Auto. Ansonsten Ruhe.

Am Kellerwegfest im August stapeln sich hier die Menschen. Jetzt kann man  an den wunderbaren alten Höfen, den Fachwerkhäusern und grossherrschaftlichen Anwesen in Ruhe vorbei gehen. Der Ort hat etwas Südländisches mit dem hellen Bruchsteinmauerwerk, dem Oleander, den blühenden Schlingpflanzen. Dazu trägt auch bei,  dass nicht alles auf Schickimicki getrimmt ist. Man spürt die Zeit und die Geschichte des Ortes…

Ich wohne und esse im Landhotel Weinhof. Ein Paar, das die Welt gesehen hat, baut sich in alten Gemäuern eine neue Existenz auf. Ich esse traumhaftes Lamm aus der Hüfte mit Ratatouille und Polentaplätzchen. Dazu einen Guntersblumer Spätburgunder.

Aber zu den Übernachtungs- und Restaurantbesuchen auf meiner Wanderung gibt es später Extra was zu lesen. Dann nämlich, wenn irgendwo in Rheinhessen das WLAN funktioniert und ich mein Tablet nutzen kann…

Schlappe 10 Kilometer bin ich heute gelaufen. Morgen wirds anstrengend!