20 Kilometer mit Gepäck am ersten Wandertag sind nicht ohne. Und deshalb nehmen Jule und ich gerne das Angebot des Hotels an, mit dem Aufzug in die Tiefgarage zu fahren, um dann direkt zum Ernst-Dienstbach-Steg zu kommen (eigentlich hätten wir erst die Straße hoch Richtung Schloss laufen müssen, um dann viele Treppenstufen bis zur Lahn wieder runterzusteigen). Der Steg war ursprünglich als Träger für eine hölzerne Leitung gedacht, die Wasser von einem Reservoir auf den Lahnhöhen auf der anderen Uferseite in die Residenzstadt befördert hat. Von dort wurde es ins Schloss gepumpt. Für das Jahr 1706 war die Gesamtanlage eine technische Meisterleistung.
Wir gehen langsam den Waldweg aufwärts, kommen an den Ruinen des Reservoirs vorbei und steigen durch Buchenwald immer höher. Nur das Vogelgezwitscher ist zu hören – und natürlich ab und an das Gegickere von Julia und mir, wenn wir unsere Blödeleien machen. Das satte Grün, die Buchen, die teilweise einen Umfang von mehr als zwei Metern haben und kerzengerade bis in den Himmel zu reichen scheinen, die mal breiten Waldwege, mal schmalen abwärts führenden Pfade, die unseren Weg kreuzenden Rehkitze – ein wunderbarer Wanderweg und – wie beworben: Natur pur.
Nur das eine oder andere Hindernis in Form von Baumstämmen oder frisch geknickten Wildkirschen hätten nicht sein müssen.
Irgendwann nähern wir uns dann wieder der Lahn, die manchmal silbern unter uns durch die Bäume glitzert.
Jetzt sind wir immer mal wieder auf freier Flur. Die schönen Ausblicke bis hin zum Feldberg haben wir allerdings nur schemenhaft, denn der Himmel wird zunehmend grau.
Und dann, 7 Kilometer vor dem Ziel in Aumenau, fängt es an zu regnen. Wir hatten das schon viel früher erwartet, aber der Regen hat uns bis zum Nachmittag verschont. Zuerst hören wir nur das Rascheln im Blätterwald, aber irgendwann hält auch das schönste Laubdach nicht mehr. Wir sind gezwungen, die Regensachen anzuziehen.
Auf der freien Feld- und Wiesenlandschaft lässt der Regen dann bald nach. Wir wandern herrlich abwärts zur Lahn nach Aumenau. Allerdings kann ich die Schönheit nicht mehr so ganz genießen, denn nach dieser ersten Wanderung am ersten Tag tut mir alles weh.
An der Lahn herrscht Betrieb. Spaziergänger, Radfahrerinnen, Kinderwagen, Roller. Im Vergleich zu den Stunden vorher, wo uns seit Weilburg nur eine Reiterin und ein Jogger begegnet sind, ist das hier eine Völkerwanderung,
Wir sind jetzt einfach müde. Und so telefonieren wir mit unserem Gastgeber in Seelbach, 2 Kilometer von Aumenau aufwärts, der angeboten hatte, uns abzuholen.
Katharina, die Dritte im Bunde, wartet schon in der Dorfgalerie Lahntal, unserer Übernachtung. Es ist ein wirklich uriges Domizil, das uns erwartet. Der Heppsche Hof steht unter Denkmalschutz, wurde vor etwa 10 Jahren von einem Paar gekauft, das die vielen Gebäude nach und nach saniert – und gleichzeitig wundervolle Gastgeber sind. Weil Sonntag ist und es in Seelbach keine Gaststätte gibt, zaubert uns die Gastgeberin abends ein 3-Gänge-Menu. Und am Morgen gibt’s ein Frühstück, wie es das Wanderherz erträumt.
So können wir gut zur 2. Wanderung am nächsten Tag nach Villmar starten.
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