Wir machen wieder kurz Zwischenstation in Santiago. Zum dritten Mal. Die Wege sind jetzt schon ein ganz klein wenig vertrauter. Aber nur ein wenig.
Bei unserem zweiten Zwischenstopp hatten wir morgens noch Gelegenheit, einen Spaziergang im Barrio Bellavista zu machen. Das Viertel kommt mir vor wie die bunte, kreative Seite von Santiago. Cafés, Theater, Designer, Kunsthandwerk, Kneipen, Buchhandlungen, studentisches Leben. Auch wenn das Patio Bellavista – eine Einkaufs- und Café-Passagen um 10 Uhr am Morgen noch nicht so richtig wach ist, kann ich mir das Leben am Nachmittag und Abend gut vorstellen.

Hauptattraktion ist allerdings das Haus von Pablo Neruda, das Chascona. Eigentlich ist es kein Haus, sondern es sind 3 Pavillons, die ineinander verschachtelt und mit Treppen verbunden, an einem Hang gebaut wurden mit Blick auf die Berge und einen Garten mit Palmen, Wein, südländischen Pflanzen, Sitzecken, lauschigen Plätzen.

Neruda hat das Haus selbst mit geplant – und es spiegelt seine Poetik: organisch, fließend, und doch auf den Punkt, überbordend, humorvoll, parteiisch, dem Menschen zugewandt.
Seine Sammelleidenschaft – seien es Schneeschüttelkugeln aus aller Herren Länder, Volkskunst aus den zahlreichen Stationen seines Exils und seiner Botschaftertätigkeit oder Kuriositäten -fasziniert.

In meinem Haus habe ich große und kleine Spielzeuge zusammengetragen, ohne die ich nicht leben könnte. Das Kind, das nicht spielt, ist kein Kind, aber der Mann, der nicht spielt, hat für immer das Kind verloren, das in ihm lebte und das ihm arg fehlen wird. Ich habe mein Haus auch als Spielzeug gebaut und spiele in ihm von morgens bis in die Nacht.
Es sind meine eigenen Spielzeuge. Ich habe sie mein ganzes Leben hindurch gesammelt mit der wissenschaftlichen Absicht, mich allein mit ihnen zu unterhalten.

Aus:Pablo Neruda. Ich bekenne, ich habe gelebt. München 2003

Die zahlreichen Gemälde zeigen Nerudas Verbundenheit mit der bildenden Kunst. Das Esszimmer zeugt vom Genießer und Gastgeber Neruda. Es hat eine niedrige Decke und auch das ganze Interieur ist eine Anspielung auf „Die Verse des Kapitäns“, die Neruda zuerst anonym auf Capri veröffentlichte. Dort lebte er einige Zeit mit seiner großen Liebe und dritten Frau Matilde Urrutia, der die Verse gewidmet sind.
Kurz nach Nerudas Tod hat Pinochet das Haus, das ein Gesamtkunstwerk ist, verwüsten lassen, noch während er eine dreitägige Staatstrauer angeordnet hatte.
Mathilde Urrutia, die hier mit Neruda lebte, hielt in einem der Wohnräume mit Freunden die Totenwache. Sie durchwachte die Nacht in dem kalten Raum, dessen Fensterscheiben zerbrochen waren.