Heute habe ich mich auf der ersten Etappe des Pfälzer Weinsteigs richtig verlaufen. Und mein rechter Schuh löst sich auf. Wie gut, dass morgen mein Ruhetag ist!
Aber der Reihe nach.
Bockenheim – Neuleiningen, die erste Etappe des Pfälzer Weinsteigs. Das ist kein Problem, habe ich mir gedacht. Nur die Sonne – gemeldet waren 36 Grad – könnte die Sache anstrengend machen.
Also um 7: 00 Uhr sehr gut in der Pension Brunnet gefrühstückt und dann direkt hoch durch die Weinberge, wo ich oben auf meinen Weg treffen will. Klappt. Es ist schon warm, aber je höher ich komme, desto mehr frischt ein leichter Wind auf. Eine Heiligenkirche liegt am Weg, eine kleine Feldkapelle, dem Petrus geweiht, mit barockem Portal, die in die Ruinen der romanischen Vorgängerkirche gebaut ist. Die gemauerte „Gnadenquelle“ davor ist derzeit versiegt. Aber ein Plastikeimer davor sagt mir, dass das nicht immer so ist.
Ein Kreis von Kastanienbäumen umschließt das Rund, als wollte er etwas beschützen. Das Böse fern halten. Was das ist, sehe ich eine Kehre weiter und ca. 50 Meter höher: Der „Katzenstein“, ein großer Felsblock aus Muschelkalkstein – man vermutet ein heidnischer Opferstein unsrer Vorvorfahren. Da haben die christlichen Missionare den Petrus mal gegen den Donar ins Feld geschickt!
Weiter durch die Weinberge. Leider kann man die Aussicht auf die Rheinebene nicht fotografieren – es ist einfach zu hell. Aber den Blick hinab auf diese weite, weite flache Ebene kann eh‘ keine Tablet-Kamera festhalten.
Auf der anderen Seite meine ich den Donnersberg zu sehen, will aber für meine geographischen Kenntnisse nicht die Hand ins Feuer legen.
Die Weinterrassen hier unterscheiden sich sehr von denen in Rheinhessen: Sie sind sanfter, haben weichere Bewegungen. Wie weite grüne Sonnensegel.
Während ich so sinniere, bin ich immer weiter abwärts gelaufen und merke erst zu spät, dass ich einen Abzweig übersehen habe.
Ein Winzer, der mir auf seinem Traktor entgegen kommt, hilft weiter, denn ich will nicht den ganzen weiten Hang wieder hoch laufen. Also weiter runter, dann rechts an der Sporthalle vorbei bis zur Hauptstraße: „Über den Bersch, den du do siehscht, Mädche, do muscht niwwer. Beim nächste, do siehscht dann schun Neuleininge“, erklärt er in vorderpfälzischem Singsang. Aller dann!
Ich folge seinen Anweisungen, was in Ordnung war, folge den Anweisungen eines weiteren „Einheimischen“, der mich in die Irre führt, und lande dann im Pfalzhotel in Asselheim, wo ich mir einen Kaffee genehmige. Von hier sind es knappe 3 Kilometer nach Grünstadt. Dort komme ich dann wieder auf den Weinsteig.
In Grünstadt kaufe ich in der hübschen Fußgängerzone ein Schälchen Himbeeren und mache es mir im ehemaligen Schlosspark – oder was davon übrig ist – gemütlich. Ich komme mit einem älteren Herrn auf einer Parkbank ins Gespräch. Vor sich hat er seinen Rollator stehen. Er kennt alle Wege. Wir vertiefen uns in die Landkarte. Er bekommt leuchtende Augen. „Sie sind wohl früher viel gewandert?“ „Ja, sehr viel. Irgendwann geht es halt nicht mehr“. Pause. Und dann: „Wandern macht frei.“ Dabei schaut er nicht auf den Rollator, sondern irgendwohin in die Ferne.
Aller dann!
Der Weg hoch in die Weinberge ist schweißtreibend. Und als ich an einem großen Nussbaum ankomme, denke ich mir, dass das ein gutes Plätzchen für eine Rast sei. Ich muss ja nicht in der Mittagshitze laufen!
Da entdecke ich das Malheur: Vorne an der Spitze des linken Schuhs löst sich die Sohle. Mit so einem Schuh habe ich mir in den Alpen vor Jahren das Bein gebrochen.
Sehr konzentriert gehe ich die restlichen 2,5 Kilometer bis zu meinem Etappenziel, dem Winzerhof „Sonnenberg“, mitten im gleichnamigen Weinhang, mit einem fantastischen Blick auf die Burgruine Neuleiningen. Nur die unten im Tal verlaufende Autobahn stört mit ihrem Lärmteppich etwas die Idylle. Aber man kann nicht immer alles haben.
Fazit des Tages:
Punkt 1: Es gibt immer einen zweiten Weg.
Punkt 2: Die Freiheit beim Wandern besteht auch darin, sich mal nicht an die vorgegebenen Wegmarkierungen zu halten.
Punk 3: Wer sich verläuft kürzt manches Mal auch ab. Das war heute der Fall. Und bei 36 Grad war das nicht das Schlechteste.
Morgen habe ich Zeit, mich um den kaputten Schuh zu kümmern.
Hallo Barbara, es ist bei uns schon üblich, abends wenn ich nach Hause komme, zu fragen wo Du jetzt wohl sein magst und wie es Dir ergeht. Es macht dann immer wieder Spaß, Deinen Etappenbericht zu lesen und mit dem Finger auf der Landkarte mitzuwandern. Da hast Du also gestern den Eisbach etwas weiter östlich überquert als ursprünglich geplant. Hatte ich Dir schon mal erzählt, dass ich mein erstes Lebensjahr in Ebertsheim verbracht habe? Danach bin ich immer wieder in den Ferien dort gewesen und sogar mal eine kurze Zeit dort in die Schule gegangen. Ich habe sehr viele Erinnerungen an die Zeit und ans das Eistal zwischen Ebertsheim und Grünstadt. Und gelaufen bin ich die Strecke schon unzählige Male! Dir wünsche ich einen erholsamen Ruhetag im Leininger Land und eine erfolgreiche Schuhreparatur. Liebe Grüße Jürgen.
Na so was! Dann hätte ich mal besser mit dir telefonieren sollen!
Freu mich auf Euch.
Und: Der Schuh ist repariert.
War heute in unserem Büro in Grünstadt.
Hätten schön gemeinsam Kaffee trinken können.
Weiterhin viel Spaß.
Jan
Na, das hättest du mir aber früher sagen können! Hab kurz mal an so was gedacht, aber dann beschlossen, dass das unmöglich ist. Schade!
Hallo Barbara, gut, dass der Schuh wieder repariert ist. Ich habe die Ersatzschuhe schon eingepackt und bringe sie mit. Für alle Fälle. Wir freuen uns schon auf die gemeinsame Etappe von Bad – Dürkheim nach Deidesheim. Dagmar und Dieter
Und ich freue mich auch sehr!