Zum dritten Mal gehe ich den Weg von Bodenheim nach Oppenheim. Jedes Mal in anderer Besetzung: Letztes Jahr im Frühjahr mit Hubert, Dagmar und Dieter – unsere letzte gemeinsame Wanderung mit Hubert. Dann im Spätsommer 2016 mit Annette – das war auch eine Erinnerungswanderung. Jetzt mit Marlis. Und dreimal habe ich mich an denselben Stellen verfranst: Vor Nackenheim und in Nierstein. Das liegt nicht an mir, sondern an der unachtsamen und/oder fehlenden Markierung. Und daran, dass der Weg ordentlich nur von Oppenheim nach Bodenheim markiert ist. Niemand kommt wohl auf die Idee, dass jemand auch andersrum gehen könnte. Meine Bitte an die Verantwortlichen: Überarbeitet die Markierungen auf der gesamten Teilstrecke!
Wir starten nach einem guten Frühstücķ. Bald lassen wir den alten Ortskern von Bodenheim hinter uns, laufen durch halbfertige Neubaugebiete und sind dann mitten in der rheinhessischen Reben-und Rübenlandschaft, die sich bis zum Horizont zieht. Im Wingert werden die Reben geschnitten. Da waren wir in Gonsenheim früher dran, nicht wahr, Konrad und Klaus?
Linkerhand sehen wir die Kirchturmspitze von Nackenheim. Näher kommen wir nicht, denn – siehe oben – die Wegzeichen fehlen.
Also von Nackenheim nur die Peripherie. Vom Lehrbrünnchen geht’s steil hoch zu einer aussichtsreich gelegenen Vinothek. Und dann der Weg entlang des Roten Hangs. Das Panorama ist einzigartig. Wir brauchen deshalb so lang, weil wir dauernd anhalten müssen, um den Blick zu geniessen auf den Rhein, die Inseln, das hessische Ried, die Frankfurter Skyline und den Odenwald in der Ferne. An der Amalfi-Küste gibt es einen Sentiero Degli Dei. Der Weg am Roten Hang entlang verdient diesen Namen auch.
Der „Rote Hang“ : Die Rotliegende kommt hier ans Licht. Klingt mythisch und erotisch, ist aber uralte Ablagerung, aus Ton- und Sandstein, 300 Millionen Jahre alt, und der Grund dafür, dass an diesen Steilhängen so vorzügliche Rieslingweine wachsen.
War es gestern Anna Seghers, die uns begleitet hat, so ist es heute Zuckmayer. Seine expressionistischen Gedichte ebenso wie seine komödiantischen Einfälle lesen wir immer wiedèr auf Stationentafeln. „Aber was en Weinberg is, das kann man sich nit schaffe, das is viele hundert Jahr alt, das muss einer mit kriege wie sei Lung – und sei Leber!“
Ja, die Leber wächst mit ihren Aufgaben.
Und angesichts dieser rheinhessischen Lanschaft hat er wohl auch recht, wenn er schreibt: „Man kann gewisse Dinge nicht erfinden, die die Natur gemacht hat.“
In Nierstein gönnen wir uns Kaffee und Kuchen und machen uns dann auf zum zweiten Teil der Tagesetappe den Galgenberg hinauf – schweißtreibend! Aber auf halber Höhe lockt ein Weingut mit fantastischer Aussicht. Das Ergebnis einer kleinen Weinprobe: Ein Weinpaket wird nach Berlin geschickt.
Dann sind wir auf der Höhe, eine kühlende Brise erfrischt und durch ein Meer von Reben stoßen wir bald auf die Ruine Landskrone. Unter uns liegt Oppenheim mit der Katharinenkirche und ihren bunten Glasfenstern.
Natürlich muss ich Marlis auch das Steinrelief zeigen, auf dem dem das „Christuskind“ und der Heilige Geist per Pusterohr zur andächtig den Kopf neigenden Maria geschickt werden (Gruß an Annette, von der ich den Tipp habe).
Auf dem Vorhof kommen wir mit einem Herrn ins Gespräch über das unterschiedliche Alter der Rosettenfenster. Es stellt sich heraus, dass er Gästeführer ist und um 16 Uhr die letzte Führung des Tages durch das Oppenheimer Kellerlabyrinth hat. Was haben wir für ein Glück! Die Keller – ein Gewölbe- und Wegenetz von insgesamt über 30 Kilometer unter der Stadt – sind eine der Attraktionen Oppenheims. Sie dienten durch die Jahrunderte als Lagerstätte für Waren, Unterschlupf bei Kriegen, aber sie wurden in den 50er Jahren auch als Müll- und Schuttplatz genutzt.
Ein wunderbarer Wandertag geht zu Ende. Wir essen in der Vesperstube und lassen uns von dem einsetzenden Regen nicht stören.
Dann fallen wir in die Betten im Hotel Merian. Hinter uns liegen 16, 6 Kilometer über- und unterhalb der Erde.
Ja, das ist eine phantastische Strecke und ich erinnere mich noch gut an unsere gemeinsame Wanderung.
Ja, ich habe auch oft an“unseren“Weg gedacht
Hallo Barbara – und Marlies (du liest ja sicher weiter mit …),
Gestern in Kiedrich: Da gibt es auch ein Thympanon mit einem Jesuskind, das aus Gottes Mund in Marias Ohr rutscht … ,und Gottes Wort wart Fleisch‘ oder so aehnlich. Das erklaerte zumindest der handliche Kirchenfuehrer so … . Gutes Traben morgen!
Auch weiter stabile Füße und gutes Wanderwetter.